Klima-Simulator
Mount Everest, Nordpol, Sahara: Eine neue Kammer simuliert extremes Klima

In Bozen (I) wird an einem Forschertraum gearbeitet: Einer Kammer, die extremste Klimaverhältnisse simuliert.

Tommy Dätwyler
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Der Gipfel des 8848 Meter hohen Mount Everest: Das extreme Klima, das dort oben herrscht, wollen Forscher in niedrigere Gefilde holen.

Der Gipfel des 8848 Meter hohen Mount Everest: Das extreme Klima, das dort oben herrscht, wollen Forscher in niedrigere Gefilde holen.

Sauerstoffarmut wie auf dem Mount Everest, Kälte wie am Nordpol, Sahara-Hitze und Wind in Orkanstärke: Das alles lässt sich, bei Bedarf mit Schnee oder Regen kombiniert, ab dem nächsten Jahr in der weltweit einzigartigen Klimakammer des Technologieparks Bozen, Italien, simulieren. Im neuen Klima-Simulator für extreme Umweltbedingungen hat gemäss Hermann Brugger, Leiter des Instituts für Alpine Notfallmedizin am Forschungszentrum der Akademie Bozen (EURAC), Höhenmedizin genauso Platz wie Materialtests unter extremsten Bedingungen.

«Dank der neuen Anlage werden endlich systematische, vergleichbare und reproduzierbare Forschungsprojekte mit grösseren Fallzahlen möglich», sagt sich Brugger, der auch Präsident der Internationalen Gesellschaft für Gebirgsmedizin ISMM ist. Die neue Anlage sei «ein Quantensprung für die Forschung», denn Reproduzierbarkeit sei heute das Hauptproblem in allen medizinischen Wissenschaften: Weniger als die Hälfte aller Studien könnten derzeit unter gleichen Verhältnissen reproduziert und verifiziert werden.

Die neue Anlage wird Anfang 2018 eröffnet und besteht aus einer grossen und kleinen Testkammer. Beide Räume sind hermetisch abgedichtet und eignen sich für die Simulation von extremen Umweltbedingungen.

Sonne, Sturm, Kälte auf Befehl

In beiden Kammern können sowohl Luftdruck als auch Sauerstoffgehalt wie auf dem Mount Everest simuliert, die Temperatur zwischen –40 Grad und 60 Grad Celsius eingestellt werden. Auch Wind in Sturmstärke, die Luftfeuchtigkeit und die Sonneneinstrahlung (UV-Strahlen) können realitätsnah nachgebildet werden. So können Testreihen nach Belieben wiederholt, Messwerte und Resultate überprüft werden.

Deshalb ist das neue Zentrum auch für die medizinische Höhen- und Notfallforschung von grossem Wert. In der Hauptkammer können sich bis zu 15 Testpersonen gleichzeitig bis zu 45 Tage lang aufhalten. Eine Kletterwand gehört ebenso zur Innen-Ausrüstung wie Sport- und Trainingsgeräte. Gesondert klimatisierte Arbeitsräume für Forscher erlauben zudem das Arbeiten unter normalen Bedingungen. Somit wird es möglich, Adaptationsvorgänge, die Akklimatisation an extreme Höhen und individuelle Reaktionen von Probanden langfristig zu untersuchen. Der neue Simulator wird auch für Materialtests, Systemkontrollen oder für Zertifizierungen von Rettungsgeräten eingesetzt werden. Das Interesse an der neuen Anlage sei auch aus der Schweiz gross, heisst es in Bozen.

Der Aufbau des neuen Klimazentrums in Bozen kostet rund fünf Millionen Euro, dazu kommen jährliche Betriebskosten von rund 300'000 Euro. Die Kosten übernehmen das Land Südtirol und verschiedene Firmen. Neben der Biomedizin und der Pharmaindustrie sind auch die Textilindustrie, technische Ausrüster, die Automobilindustrie, die Landwirtschaft und die wissenschaftliche Grundlagenforschung an den neuen Möglichkeiten interessiert.