Foodblog Ostbröckli
Süssholz raspeln für ein feines Dessert: So kreieren Sie eine besondere Nachspeise – oder setzen die Zutat im Hauptgang ein

Süssholz ist vor allem eine Kindheitserinnerung. Aber man kann mit dem exotischen Holz mit Lakritzaroma auch köstliche Gerichte zubereiten, sei es nun ein deftiger Schmorbraten oder eine süsse Versuchung.

Text: Urs Bader, Bilder: Andrea Tina Stalder
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Neulich, als ich für die Zubereitung eines Parfait Zimtstangen in Zuckerwasser köcheln liess, um einen aromareichen Sirup zu erhalten, kam mir die Idee: Weshalb nicht auch mit Süssholz auf diese Weise verfahren? Süssholz - das waren diese Stängel, die eigentlich ja Wurzeln sind, auf denen wir als Kinder so lange herumkauten, bis wir offene Lippen hatten oder die Stängel nur noch Stummel waren und bitter. In der Drogerie gab es für wenige Rappen Nachschub.

Dort kaufte ich auch ein paar Stängel, als ich zur Tat schritt und zu filettierten Orangenschnitzen statt eines Teeparfait für einmal ein Süssholzparfait servierte.

Süssholz ist eine Staude, die bis zu zwei Meter hoch werden kann und im Mittelmeergebiet sowie in Westasien heimisch ist. Sie hat eine gelbe, holzige Wurzel, die viele unterirdische Ausläufer bildet. Die Wurzeln haben 50-mal so viel Süsskraft wie Rohrzucker. Geraspelt oder geschabt werden aus ihnen seit dem Altertum Arzneien oder Süsswaren hergestellt oder verfeinert. Aus dem eingedickten Wurzelsaft entsteht Lakritze.

Das süsse Holz schaffte es in den Volksmund

Süssholz und seine Verarbeitung waren jedenfalls so populär, dass daraus eine Redewendung entstehen konnte: Süssholz raspeln. Was so viel bedeutet wie: jemandem schmeicheln, jemanden umgarnen, ihm oder ihr nach dem Mund reden – und dies alles in mehr oder weniger auffälliger, übertrieben-süsser Manier. Das wird dann gerne auch spöttisch kommentiert: «Hör mal den, wie der Süssholz raspelt!»

Das Ambivalente scheint dem Süssholz eigen zu sein: Einige seiner Wirkstoffe sind zwar gut gegen allerlei Gebresten, doch sollen – damit das hier auch gesagt ist - Schwangere und Leute mit erhöhtem Blutdruck, Diabetes oder Nierenproblemen Süssholz eher meiden.

Parfaits gehören zu den Lieblingsdesserts des Autors

Doch zurück zum Süssholzparfait. Parfaits – auch Halbgefrorenes oder Semifreddo genannt – gehören zu meinen Lieblingsdesserts, weil sie sich ganz verschieden zubereiten lassen: mit Früchten im Sommer, mit Schwarztee, Zimt, Holunderblütensirup im Winter. Oder eben auch mit Süssholz, wer einmal etwas eher Ausgewöhnliches versuchen will.

Süssholzparfait (für vier Förmchen)

  • 20 g Süssholz, geschnitten (Die Drogistin hat mir statt Stängel die geschnittene Form empfohlen, um mehr Geschmack aus dem Holz herauszuholen.)
  • 2 dl Wasser
  • 30 g Zucker
  • 1 ½ dl Rahm, geschlagen
  • 2 Eigelb
  • Zitronensaft
  • 12 Orangenschnitze, filetiert
  • Pistazienkerne, grob gehackt

Zubereitung

  • Süssholz, Zucker und Wasser zu einem Sirup einköcheln lassen, er nimmt dabei eine braun-schwärzliche Farbe an. Sirup absieben und auskühlen lassen.
  • Sirup zu den Eigelb geben und mit dem Mixer schaumig schlagen, zuerst über Wasserdampf, dann noch kalt. Diesen Schritt sollte man mit einiger Geduld machen, das Eigelb muss wirklich an Volumen gewinnen, das bindet das Parfait homogener.
  • Eimasse sorgfältig unter den Schlagrahm ziehen. Mit zwei, drei Spritzern Zitronensaft abschmecken. Die Masse in vier Förmchen verteilen, in den Tiefkühler stellen. Vor dem Servieren zeitig herausnehmen und angetaut auf einen Teller stürzen. Mit filetierten Orangenschnitzen und Pinienkernen garnieren.

Das Parfait hat ein diskretes Süssholz-Lakritz-Aroma, manchmal auch mit einer nussigen Note. Es passt gut zu den Orangeschnitzen; aber auch Zwetschenkompott oder Rotweinzwetschgen machen sich gut dazu. Fein geriebenes Süssholz entfaltet ein intensives Aroma und kann in dieser Form weiteren Desserts – etwa einer Mousse oder einem Panna cotta – eine spezielle Note geben.

Mal eine Rotweinsauce aromatisieren

Ich habe mit dem Pulver (ein Teelöffel voll) aber auch schon eine Rotweinsauce aromatisiert, die gut beispielsweise zu einem Hirschfilet oder -entrecôte passt. Dabei soll aber stets mit etwas Zitronensaft ein Gegenakzent gesetzt werden. Bei einem Brasato kann man die letzte halbe Stunde einen Süssholzstängel (oder zwei) mitschmoren.

Aus Annemarie Wildeisens Küche findet sich im Internet ein Rezept zu Fischfilets mit Süssholz-Pfeffer-Butter. Dort heisst es: «Süssholz zu Fisch? Unbedingt, denn die anis-ähnliche Würze passt hervorragend zu Saibling oder einer schönen Lachsforelle.» Das werde ich auf jeden Fall demnächst mal ausprobieren.

Sollten Gäste eines dieser Gerichte mal überschwänglich loben, bleibt halt die Frage: Wird da jetzt vielleicht nur Süssholz geraspelt?