Essen & Trinken
Eine 24-Jährige kochte ein Jahr lang jede Woche mit ihrer Bündner Grossmutter – daraus entstanden ist ein grossartiges Buch

Wir lieben unsere Grossmütter und ihre Küche – doch kennen wir sie auch? Die 24-Jährige Lea Hürlimann machte sich auf, mit ihrem Nani zu kochen. Daraus entstanden ist ein wunderbares, nostalgisches Schweizer Kochbuch.

Anna Miller
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Sie nennt sie Nani, 87 Jahre alt, wohnhaft in Felsberg, Kanton Graubünden, eine selbstbewusste, alte Dame, eine, die weiss, wie ein Leben zu leben ist. Sie bewundere Elsi Ragaz-Hemmis’ Stärke, sagt Enkelin Lea Hürlimann, 24 Jahre alt, Nani’s Stärke und ihre Kochkunst. «Eigentlich bewundere ich ziemlich viel an ihr, sie ist meine Heldin.»

Nani Elsi

Nani Elsi

Bild: Lea Hürlimann, zVg

Vor drei Jahren noch war Lea Studentin in Chur und Nani war ihr zwar vertraut, wie es unsere Grossmütter oft sind, aber irgendwie auch fremd. «Ich ging einmal die Woche bei ihr essen und fühlte mich so fremd, in ihrer Gegenwart», sagt Lea. «Ich realisierte: Sehr oft wissen wir über diese Generation nicht viel. Und sind es nicht gewohnt, plötzlich allein mit ihr an einem Tisch zu sitzen.» Sie kannte ihr Nani. Und doch wusste sie nichts über sie.

Lea wollte das ändern. Ihr Nani besser kennenlernen. Aber ihr auch den grossen Traum erfüllen, den die alte Frau ein Leben lang gehegt hatte: Ein eigenes Kochbuch schreiben. Und so fingen Lea und Nani an, nicht nur zusammen zu essen, sondern auch zu kochen. Gemüse und Früchte aus dem eigenen Garten zu verarbeiten. Birnenbrot, Kohlwickel, Maluns. Suurbrate, Rhabarberkuchen und Rötali.

Mit Gemüse und Früchten frisch aus dem Garten

Was mit einer kleinen Idee begann, wuchs zu einem grösseren Projekt heran. Katharina, Lea's beste Freundin, half mit. So entstand am Ende das liebevolle, selbstgestaltete, im Eigenverlag herausgebrachte Kochbuch «Nani. Zwei Generationen kochen durchs Jahr».

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80 Bündner Klassiker und Lieblingsgerichte aus Nanis Rezeptsammlung zeigen die Vielfalt ihrer traditionellen Küche mit Gemüse und Früchten frisch aus dem Garten, während eines Jahres wöchentlich gemeinsam nachgekocht, aufgeschrieben und fotografiert.

Doch dieses Buch ist nicht nur eine Sammlung der schönsten regionalen Rezepte, die – sammeln wir sie nicht und machen sie den nächsten Generationen zugänglich – vielleicht irgendwann verschwinden. Sondern erzählt auch die Geschichte einer Liebe. Einer zwischen Enkelin und Grossmutter.

Ein Intergenerationenbuch gegen das Vergessen

«Dieses Buch hat uns zusammengebracht», sagt Lea. «Früher waren wir herzlich zueinander, aber auch distanziert. Jetzt sind wir uns sehr nahe, und wir sind sehr ehrlich zueinander.» Die vielen Fragen aneinander, die Stunden in der Küche haben neue Lebenswelten eröffnet. Lea:

«Wenn ich alt bin, möchte ich den gleichen Respekt geniessen wie sie. Ich möchte gesehen werden, auch wenn ich alt bin.»

Dieses Buch ist auch ein Intergenerationenbuch. Es macht das Alter sichtbar, die Grossmutter. Ein Mensch, der für viele von uns so wichtig ist, und doch in der Gesellschaft manchmal so unsichtbar. Das Projekt, sagt Lea, habe die Grossmutter beflügelt. Ihr neue Lebenskraft gegeben. «Sie erhält so viele schöne Rückmeldungen, und wenn jemand anruft, hat sie immer etwas zu erzählen.»

Doch das Wichtigste bleibe für sie der persönliche Kontakt. Dass Lea und Katharina sie auch weiterhin besuchen kommen, sich an den Tisch setzen, erzählen und fragen. Und dazulernen. Von der Weisheit des Nani profitieren. «Dass mehr manchmal mehr ist, beispielsweise. Mehr Öl! Mehr Salz!, sagte sie immer. Und sie hatte Recht.»

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«Nani. Zwei Generationen kochen durchs Jahr.»
Elsi Ragaz-Hemmi, Lea Hürlimann & Katharina Wirth. CHF 54.-.
Zu bestellen im Fachhandel oder auf www.cookingwithnani.ch.

Auf Youtube stellen sich die Autorinnen des Buchs vor.

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