Ein neuer Typ Solarzelle macht Hoffnung für die Energiewende. Die Grundlagen dafür gelegt hat ein Forscher der ETH Lausanne.
Es geht nicht schnell genug voran mit der Fotovoltaik. Beim Ausstieg aus den fossilen Energieträgern soll sie in die Bresche springen und einen erheblichen Teil des Stroms liefern, den beispielsweise Elektrofahrzeuge in Zukunft verschlingen werden. Doch der Anteil an der Stromproduktion ist noch immer sehr klein. In der Schweiz zum Beispiel machte Sonnenenergie im Jahr 2020 ganze vier Prozent der gesamten Elektrizitätsproduktion aus.
Das Problem ist, dass Siliziumzellen – der am weitesten verbreitete Typ Solarzelle – noch immer zu teuer sind. Sie sind aufwendig in der Herstellung und verbrauchen schon dabei viel Energie. Zudem sind sie schwer und klobig. Für die Energiewende bräuchten wir leichte Zellen, die wenig kosten und trotzdem effizient sind. Klingt nach einem frommen Wunsch, nach einer Eier legenden Wollmilchsau. Doch es gibt eine vielversprechende Kandidatin: die Perowskit-Solarzelle.
Die erste wissenschaftliche Publikation zu ihr ist vor nur zwölf Jahren erschienen. Seither ist sie aufgestiegen wie ein Komet. Aus Forschungslabors und Entwicklungsabteilungen kam eine Rekordmeldung nach der anderen. Das Unternehmen Oxford Photovoltaics – ein Spin-off der Universität Oxford – baut in Brandenburg eine Produktionsanlage, die bereits nächstes Jahr in Betrieb gehen soll.
Die Effizienz der Zelle ist in dem Dutzend Jahre seit ihrer Erfindung von 3 auf 25 Prozent gestiegen, im besten Fall wird also ein Viertel der eingestrahlten Sonnenenergie in elektrische Energie umwandelt.
Damit kann es die Perowskit-Solarzelle locker mit klassischen Siliziumzellen aufnehmen – theoretisch. Doch so einfach ist es nicht. Die Rekordwerte verschweigen vieles. Zum Beispiel, wie gross die Zelle ist und wie lange sie auf diesem Niveau arbeitet.
Das Problem mit der Grösse gibt es bei jedem Typ Solarzelle: Grössere Zellen müssen verschaltet werden, dabei kommt es zu Verlusten, sie sind nie so effizient wie Laborzellen mit ein paar Millimeter Seitenlänge. Das Zweite ist eine Schwierigkeit, die spezifisch bei Perowskit-Zellen auftritt: Unter Einwirkung von Sonnenlicht verstärkt sich die Leitfähigkeit von Ionen im Perowskit-Kristall, was zu Effizienzverlusten führen kann. Michael Grätzel, der als Professor an der ETH Lausanne in diesem Gebiet forscht, sagt:
«Das ist eine harte Nuss, weil es um eine intrinsische Eigenschaft des Materials geht, mit der man leben muss.»
Zwar sind Perowskite – bestimmte Verbindungen aus Kalzium, Titan und Sauerstoff – schon seit dem 19. Jahrhundert bekannt, ein deutscher Forscher entdeckte sie in einer Gesteinsprobe aus dem Ural. Aber die Materialeigenschaft, die nun bei den Solarzellen Probleme macht, wurde erst vor drei Jahren von einem Team um Michael Grätzel und den deutschen Wissenschafter Joachim Maier vom Max-Planck-Institut in Stuttgart erstmals beschrieben. «Hier gibt es noch einen grösseren Forschungsbedarf», sagt Grätzel.
Eine weitere Schwierigkeit mit Perowskit ist, dass das Material wasserlöslich ist. Die Solarzellen müssen deshalb versiegelt werden, und dies wiederum auf eine Weise, welche den Wirkungsgrad möglichst wenig beeinträchtigt. Hierüber macht sich Michael Grätzel allerdings kaum Sorgen; er rechnet damit, dass schon bald brauchbare Lösungen kommen.
In der Natur bildet Perowskit Kristalle und ist relativ häufig. Aus der Schweiz ist zum Beispiel ein Vorkommen im Mattertal bekannt. In der Solarzelle muss das Material nicht sonderlich rein vorliegen. Das ist ein riesiger Vorteil gegenüber Silizium – das wird hochrein benötigt, und um solches zu gewinnen, sind Temperaturen von 2000 Grad Celsius und damit viel Energie nötig.
Allerdings enthalten Perowskit-Zellen ein anderes Material, das nicht gern gesehen ist: Blei. Ein Schwermetall, giftig für Mensch und Umwelt. Michael Grätzel erwartet deshalb erste Anwendungen beispielsweise in Solarfeldern, wo Panels auf Betonboden stehen und so selbst bei einem Defekt keine Umweltschäden zu erwarten sind. Es gibt aber durchaus Lösungsansätze, um das Problem an der Wurzel zu kriegen. So könnte das Blei abgesichert werden, indem es mit einem anderen Material umgeben wird, mit dem es bei Kontakt eine unproblematische Verbindung eingeht. Auch bleifreie Perowskit-Zellen sind in Entwicklung, doch deren Effizienz ist bislang deutlich tiefer.
Dass es mit der Entwicklung von Perowskit-Zellen so schnell vorangeht, ist zu einem grossen Teil der Vorarbeit mit anderen Zellentypen zu verdanken. Sie basieren auf sogenannten Farbstoffzellen, auch Grätzelzellen genannt – nach ihrem Erfinder Michael Grätzel. Sie funktionieren nach dem Prinzip der Fotosynthese, also auf ähnliche Weise, wie Pflanzen die Energie aus der Sonne aufnehmen. Das Licht wird von Farbstoffen, beispielsweise Chlorophyll, aufgenommen. Es funktioniert sogar mit Saft aus roten Beeren als Farbstoff.
Damit können Farbstoffzellen in verschiedenen Farben hergestellt werden. Zudem sind sie transparent, sie eignen sich deshalb beispielsweise für Wintergärten. An einem Gebäude der ETH Lausanne wurde eine ganze Fassade mit ihnen konstruiert. Der Wirkungsgrad ist aber tiefer als bei herkömmlichen Zellen, weshalb sie sich auf dem Markt bislang nicht durchgesetzt haben.
Für ihre Weiterentwicklung zur Perowskit-Zelle stehen die Zeichen nun aber auf grün. Die Frage ist wohl nicht mehr, ob, sondern wann sie kommen. Der Markt ist bereits umkämpft, das zeigte sich diesen Sommer: Oxford Photovoltaics – das britische Unternehmen, das nächstes Jahr in Deutschland mit der Massenproduktion starten will – hatte in den letzten Jahren die Firma Meyer Burger aus Thun als Partner mit im Boot.
Im Juli kündigte Oxford Photovoltaics überraschend die Zusammenarbeit. Meyer Burger gab danach in einem Statement bekannt, rechtliche Schritte dagegen zu prüfen. Und dies, obwohl nach ihrer Einschätzung «erst in einigen Jahren die für eine wettbewerbsfähige Massenfertigung notwendige Technologie- und Produktionsreife, Produktzuverlässigkeit sowie Kostenstruktur erreicht wird».
Die Technologie, um die es geht, sind sogenannte Tandemzellen. Dabei werden eine Perowskit-Zelle und eine Siliziumzelle übereinandergeschichtet – das Licht, das der oberen entgeht, wird von der unteren eingefangen. Das funktioniert in dieser Kombination besonders gut, weil die beiden Zelltypen auf unterschiedliche Wellenlängen des Lichts spezialisiert sind. Oxford Photovoltaics gelang es damit Anfang Jahr, einen Wirkungsgrad von sensationellen 29,52 Prozent zu erreichen.
Damit deutet sich schon heute an: Perowskit-Zellen werden Siliziumzellen voraussichtlich nicht verdrängen, sondern ergänzen. Entweder in Tandems oder in unterschiedlichen Anwendungsgebieten, je nachdem, welche Eigenschaften gefordert sind. Michael Grätzel sagt: «Perowskit-Solarzellen können in Zukunft in der Fotovoltaik eine massgebliche Rolle spielen. Aber wir können deswegen nicht auf andere verzichten. Wir brauchen alle verfügbaren Technologien, um die angestrebte Stromproduktion zu erreichen.»