Fast alle Menschen benützen eine Hand öfter als die andere. Sobald eine Tätigkeit schwieriger ist, mehr Kraft erfordert oder auch einfach reaktionsschnell erfolgen muss, verwenden wir in der Regel unsere dominante Hand dafür. Doch warum ist das so? Und warum ist es nicht bei allen die gleiche Hand?
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Über diese Frage haben sich schon die alten Griechen gestritten. Platon ging davon aus, dass die sogenannte Händigkeit eine Folge der Erziehung ist. Sein Schüler Aristoteles nahm jedoch an, dass die Links- oder Rechtshändigkeit angeboren ist.
Dass die Erziehung eine Ursache sein kann, wird auch heute noch als Möglichkeit erachtet. Die meisten Forscherinnen und Forscher gehen aber davon aus, dass die Links- oder Rechtshändigkeit angeboren ist.
Dass unsere beiden Hände unterschiedlich gut für gewisse Dinge geeignet sind, liegt an unserem Gehirn mit seinen zwei Hälften. Um gewisse Dinge kümmert sich in der Regel nur die eine Hälfte. Das hat eine einfache Ursache: Evolution. Um möglichst wenig Energie zu verbrauchen, sind an gewissen Abläufen möglichst wenige Gehirnzellen beteiligt. Deshalb spezialisiert sich unser Gehirn.
Daraus ergeht auch eine Spezialisierung der Hände. Die eine Hälfte des Gehirns kümmert sich um motorische Abläufe, weshalb wir auf einer Seite «besser» darin sind. Die Gehirnhälften sind dabei übers Kreuz mit den Händen verbunden. Wenn die linke Hirnhälfte die Motorik regelt, ist man Rechtshänderin oder Rechtshänder. Und umgekehrt. Übrigens gilt das auch für weitere Körperteile. Aus dem Sport kennt man zum Beispiel die Füssigkeit: Fussballerinnen und Fussball haben meist einen stärkeren Fuss. Wir Menschen haben aber in der Regel auch ein dominantes Auge, das wir zum Beispiel eher offen lassen, wenn wir ein Auge zukneifen.
Was die Händigkeit konkret auslöst, ist bis heute nicht eindeutig geklärt. Es gibt verschiedene Theorien, die vermutlich kombiniert betrachtet werden müssen:
Auch hier sind sich die Forscherinnen und Forscher nicht ganz sicher. Eine aktuelle Studie geht von 10,6 Prozent aller Menschen aus. Diese Zahl ergab sich in einer Metastudie. Einer Studie also, die viele andere Studien ausgewertet hat. Gemäss der Ruhr Universität Bochum kommt es aber darauf an, wie streng man die Kriterien für Linkshändigkeit auslegt. Die 10,6 Prozent seien «die beste Gesamtschätzung», wird der an der Metastudie beteiligte Privatdozent Sebastian Ocklenburg zitiert.
Andere Studien kamen auf 20 bis 30 Prozent, wenn man die eigentlichen Linkshändigen, die umgeschult wurden, dazu zählt.
Es gibt verschiedene Erklärungsansätze. Zum einen ist da die Vermutung, die wir oben bereits gesehen haben: Es liegt an den Genen, die einfach eher Rechtshänderinnen und Rechtshänder produzieren.
Andere Forscherinnen und Forscher vermuten, dass die Ursache im Kopieren von Handlungen liegt: Wer jemandem zuschaut, wie er etwas mit der rechten Hand macht, nimmt für die gleiche Handlung auch eher die rechte Hand. So hat sich über die Zeit eine Hand eher zufällig durchgesetzt.
Es gibt auch Theorien, die in der Rechtshändigkeit einen evolutionären Vorteil sehen. Die Linkshändigkeit wäre dann eigentlich zum Aussterben verurteilt. Warum das dann doch nicht passiert, könnte die sogenannte «Fighting-Hypothese» erklären. Diese besagt, dass es in Kampfsituationen ein Vorteil ist, mit der linken Hand zu agieren, wenn die Mehrheit mit rechts agiert. Vertreterinnen und Vertreter dieser Theorie sehen sich dadurch bestärkt, dass zum Beispiel bei Spitzensportlerinnen und Spitzensportlern gewisser Sportarten wie Boxen Linkshändigkeit häufiger zu beobachten ist als in der Gesamtgesellschaft.
Davon ausgehend, dass die Händigkeit vermutlich angeboren ist, erstaunt es nicht, dass sie sich auch früh zeigt. Schon nach etwa acht Monaten zeigt sich eine Präferenz, nach dem zweiten Geburtstag wird diese deutlicher und stabiler. Vereinzelt kann es länger dauern. Wichtig ist, dass sich ein Kind schon vor dem Eintritt in die Schule festgelegt hat, welches die dominante Hand ist. Zeigt das Kind keine eindeutige Präferenz, lohnt sich allenfalls ein Besuch bei einem Experten. So wird vermieden, dass bei ersten Schreibversuchen ein falsches Verhalten erlernt wird.
Früher wurden Linkshänderinnen und Linkshänder spätestens in der Schule zu Rechtshänderinnen und Rechtshändern umerzogen. In einigen Gegenden der Welt ist das noch immer der Fall, etwa weil die linke Hand als unrein gilt.
Expertinnen und Experten vertreten heute allerdings die Ansicht, dass eine Umerziehung mehr schadet als nützt. Johanna Barbara Sattler bezeichnet diese Umschulung gar als «einen der grössten Eingriffe ins menschliche Gehirn». Die Psychologin ist die Leiterin des Vereins «Erste deutsche Beratungs- und Informationsstelle für Linkshänder und umgeschulte Linkshänder e.V.».
Bei Linkshänderinnen und Linkshändern ist, wie wir gesehen haben, die rechte Gehirnhälfte für die motorischen Fähigkeiten zuständig. Eine Umschulung führe nicht dazu, dass sich die Gehirnhälfte gewissermassen umprogrammieren. Vielmehr sei die linke Gehirnhälfte nun einfach überlastet. Sattler sagt dazu auf der Website des Vereins: «Die Folgen sind frappierend: Die geistigen Fähigkeiten, darunter so wichtige Bereiche wie Gedächtnis, Konzentrationsfähigkeit, Belastbarkeit, Reaktionsfähigkeit, werden negativ beeinflusst.»
Sattler geht sogar so weit, dass sie bei «Pseudo-Rechtshändern» Probleme von Herumkaspern in der Schule über Legasthenie bis hin zu Bettnässen an der Umschulung festmacht. Auch Kerrin Christiansen vom Institut für Humanbiologie der Universität Hamburg sagt, dass umgeschulte Linkshänderinnen und Linkshänder oft an Legasthenie oder Rechts-Links-Schwäche litten.
Auch ohne Umschulung begegnen Linkshänderinnen und Linkshänder Problemen. In einem Interview mit dem Bayrischen Rundfunk sagte Sattler Anfang Jahr, die rechtsgerichtete Welt zwinge Linkshändige immer wieder dazu, mit der nicht-dominanten Hand Sachen zu tun, was sie dann nicht so gut hinkriegten. «Sie projizieren diese vermeintliche Ungeschicktheit auf ihre Fähigkeit, auf ihr Selbstbewusstsein eventuell sogar. Und empfinden sich als ungeschickter.»
Linkshändige stossen etwa beim Schreiben auf verschiedene Probleme. Dazu gehört beispielsweise die Gefahr, den eben geschriebenen Text mit der Hand zu verschmieren. Zudem können Stifte für Rechtshändige optimiert und entsprechend für Linkshändige ungeeignet sein. Selbes gilt übrigens auch für ganz viele andere Produkte, wie zum Beispiel Werkzeuge oder Musikinstrumente. Aber auch bei anderen alltäglichen Handlungen sind Linkshänderinnen und Linkshänder im Nachteil. Die Ablagefläche neben dem Spülbecken ist links, um nur eine Situation zu nennen. Wer den Schwamm mit links hält, muss danach übergreifen, um das Geschirr mit rechts abzulegen.
Dieser Mythos entstand wohl, weil viele bekannte Persönlichkeiten die linke Hand bevorzugen. Albert Einstein, zum Beispiel. Doch Auswertungen zeigen: Linkshänderinnen und Linkshänder haben im Schnitt keinen höheren Intelligenzquotienten als Rechtshänderinnen und Rechtshänder. Doch einen Unterschied gibt es: Die Verteilung ist anders. Bei Linkshändigen gibt es mehr Extreme, an beiden Enden der IQ-Skala.
Ein ähnlicher Mythos existiert bezüglich der Kreativität. Auch hier dürften prominente Beispiele am Ursprung der Theorie stehen, dass Linkshänderinnen und Linkshänder kreativer sein sollen. Johann Wolfgang von Goethe war Linkshänder, ebenso wie Pablo Picasso. Doch es zeigt sich erneut: Mit der Linkshändigkeit hat das nichts zu tun.
Für diesen Artikel wurden verschiedene Quellen verwendet. Einzelne davon sind an passender Stelle verlinkt. Die Links zu weiteren verwendeten Quellen sind nachfolgend aufgeführt.