Ein japanischer Forscher hat eine Theorie entwickelt, nach der sich in Japan das Deltavirus aufgrund seiner vielen Mutationen selbst zerstört. Ein Schweizer Forscher zweifelt.
In Japan sind die Neuinfektionen Ende Sommer dramatisch steil angestiegen. Doch dann folgte die Wende. Waren es vor drei Monaten im 125-Millionen-Staat noch täglich 26'000, ist die Zahl der Neuinfektionen nun auf 200 gefallen. Seit dem 7. November wurden keine Todesfälle mehr gemeldet.
Dafür gibt es gute Gründe. Japan hat eine hohe Impfquote von 80 Prozent mit einer Erstimpfung und von 77 Prozent vollständig geimpften Menschen. Zudem sind in der japanischen Gesellschaft das Maskentragen und das Distanzhalten gut akzeptiert. Doch nun bringt ein Forscher am Nationalen Institut für Genetik der Universität Niigata eine weitere Möglichkeit für den Rückgang von Delta ins Spiel. Gemäss der Theorie von Professor Ituro Inoue zerstört sich die Delta-Variante in Japan selber.
Dafür verantwortlich ist nach dem Forscher Inoue das Virusenzym nsp14. Dieses arbeitet mit anderen Virusproteinen zusammen und hat die Funktion, das Virus-RNA von Delta zusammenzuhalten. Beobachtet wurde, dass bei beschädigten nsp14, das Virus die Fähigkeit verringert, sich zu vermehren. Das wird nun als möglicher Grund für den raschen Rückgang der Neuinfektionen genannt. Denn mit den hohen Fallzahlen kam es gleichzeitig zu vielen Mutationen des Deltavirus. In diesen haben sich gemäss der Theorie die Fehler in diesem nsp14-Protein angehäuft, weshalb die Fehlerkorrektur im Delta-Virus nicht mehr richtig funktioniert hat.
Eigentlich hatten die Forscher des Nationalen Instituts für Genetik herausfinden wollen, wie das Abwehrprotein APOBEC3A die Aktivität des Coronavirus hemmen kann. Dieses Abwehrprotein haben mehr Menschen in Asien als im Rest der Welt. Bei der Analyse fanden sie heraus, dass die sehr ansteckende Delta-Variante wider Erwarten keine grosse genetische Vielfalt hat und untersuchten dabei das fehlerkorrigierende Enzym nsp14. Dabei sahen sie, dass das nsp14-Protein in Japan viele Mutationen erfahren hatte. Das führte zur Theorie, dass die Häufung der Mutationen die Delta-Variante fehlerhaft machte und verhinderte, dass es sich kopieren konnte.
Die Theorie mit den Mutationen in nsp14 von Professor Inoue könnte auch erklären, warum im Jahr 2003 Sars, das schwere akute Atemwegssyndrom, schnell wieder verschwand. Auch, weil sich dieses wegen Fehlern im nsp14-Protein nicht mehr replizieren konnte. In der «Japan Times» sagt Inoue, dafür gebe es keine genomischen Daten, das sei nur eine Hypothese. Aber Sars sei tatsächlich für immer verschwunden.
Könnte es also auch zum Aussterben der Delta-Variante kommen? Inoue wiegelt ab. Die Chance, dass es auch in anderen Ländern ein Rückgang von Delta geben könnte, sei nicht Null. Allerdings habe man keine vergleichbaren Hinweise dafür in anderen Ländern gefunden, sagte Inoue. Zudem wurde auch im asiatischen Land Südkorea kein solcher Rückgang beobachtet.
In der Schweiz sequenziert Richard Neher am Biozentrum der Universität Basel laufend Viren. Er ist von dieser japanischen Theorie nicht überzeugt. Diese Veränderung von Delta beim Protein nsp14 habe der Grossteil der Viren im Rest der Welt auch, nicht nur in Japan. «Ich kenne keine Hinweise darauf, dass Delta sich auslöscht», sagt Neher.