Tash Sultana: «Ich will das Gitarrensolo wieder gross machen»

Die Multi-Instrumentalistin und Sängerin Tash Sultana erinnert auf ihrem Debütalbum «Flow State» an Legenden wie Jimi Hendrix. Mit ihrer Musik will sie eine kleine Revolution einläuten.

Steffen Rüth
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Tash Sultana gilt als Newcomer des Jahres. (Bild: PD)

Tash Sultana gilt als Newcomer des Jahres. (Bild: PD)

Ihr Ziel? Eindeutig. Ihr Mittel: Das Instrument, das ihr der Opa mit drei Jahren geschenkt hat und das sie seitdem nicht allzu oft aus der Hand gelegt hat. «Ja, ich will das Gitarrensolo wieder gross machen», verkündet Natasha «Tash» Sultana telefonisch aus Connecticut, wo sie gerade im Tourbus über den Highway rumpelt.

«Ich habe zum Teufel noch mal keine Ahnung, warum die Gitarre als Instrument so im Schatten steht, aber ich weiss, dass sie es nicht verdient hat. Und ich werde das ändern.»

Tash Sultana, die vor 23 Jahren im australischen Melbourne zur Welt kam, ist auf einem sehr guten Weg, ihr Versprechen einzulösen. «Flow State» heisst ihr erstes Album, und Hörer, die in den Sixties und Seventies aufgewachsen sind, fühlen sich an ihre Jugend erinnert. Zum Beispiel an Carlos Santana, an Jimi Hendrix, Led Zeppelin oder Tracy Chapman. Auch Erykah Badu und Amy Winehouse, die sich ja ihrerseits von Aretha Franklin oder Janis Joplin inspirieren liessen, verehrt Tash.

Und für junge Menschen sind diese Songs, in denen Tash ausschweifend die Gitarren krachen und kreisen lässt, mit psychedelischen Einflüssen nicht geizt, aber auch klare Melodien nicht ausser Acht lässt, oftmals etwas ganz Neues.

Musikalisches Talent: Sie spielt zehn Instrumente

«Ich habe nichts gegen Kids, die Electro oder Hip-Hop in ihren Zimmern aufnehmen. Nur für mich war es immer schon die Wonne, Trompete, Keyboards, Schlagzeug, einfach alles in meine Lieder einzubauen. Vielleicht kann ich ein paar Jugendliche für den Rock ’n’ Roll zurückgewinnen.»

Auch scheut sich Sultana, die sich live mit einer Loopstation selbst begleitet – und so keine Band braucht, sondern auf der Bühne ganz allein ist –, kein bisschen, ihre Platte mit dem neuneinhalbminütigen Instrumental «Blackbird» zu beenden.

Kurzum: Diese Frau, die zehn Instrumente spielt, ist ein musikalisches Ausnahmetalent, ihre Musik zeitlos und zukunftsgerichtet.

«Ich wollte ein paar Köder für die Mainstream-Radiosender bereitstellen, aber der Kern des Albums besteht aus Liedern, in denen ich wirklich keine Zurückhaltung zulasse», so Tash.

«Wer ‹Flow State› gehört hat, der soll wissen, wer ich bin.»

Tash Sultana war vor allem immer ein Mensch, der nicht ganz ins Raster passte. Bis sie 13 ist, rasiert sie sich den Schädel; mit der Aufteilung der Menschen in «Mann» und «Frau» kann sie nichts anfangen, sie selbst definiert sich als «non-binär», also trotz weiblicher Anatomie keinem Geschlecht zugehörig.

«Mich macht glücklich, dass unsere Gesellschaft immer aufgeschlossener und akzeptierender wird gegenüber Menschen, die anders sind als die meisten.»

Mit 17 jedoch driftet sie in eine Drogenabhängigkeit («Ich nahm alles bis auf Heroin»), sie macht einen erfolgreichen Entzug und muss parallel wegen einer Drogenpsychose behandelt werden. «Ich habe schlechte Tage, aber zum Glück ist nicht jeder Tag schlecht. Ich muss hoffen, dass mich der Rummel nicht auffrisst, andererseits fühle ich mich am Ausgeglichensten, wenn ich Musik mache.»

Sie begann mit 17 als Strassenmusikerin

Zur Entspannung, so erzählt Tash, spiele sie gern Snooker. Viel mehr Möglichkeiten, sich zu erholen, bleiben nicht, denn Sultana tourt seit beinahe zwei Jahren fast ohne Pause. Mit grossem Erfolg: Das Konzert am 28. September in der Zürcher Samsung Hall war bereits ausverkauft, noch bevor sie ihr erstes Album veröffentlichte. Auch ihre Auftritte in London, Paris, Berlin, Amsterdam oder New York sind ausverkauft.

Mit 17 trat sie in Melbourne als Strassenmusikerin auf, parallel stellt sie Songs in die sozialen Netzwerke. 2016 wurde ihre Schlafzimmeraufnahme des Stücks «Jungle» von den Hörern des populären australischen Radiosenders «Triple J» aus dem Nichts unter die drei beliebtesten Songs des Senders gewählt. «Dort, wo ich jetzt bin, bin ich aber in erster Linie durch meine Shows hingekommen», stellt Tash klar. «Ich bin weder die Strassenmusikerin, die zufällig berühmt wurde, noch die Internetsensation. Sondern eine richtige, respektierte Musikerin, die Dinge zu sagen hat.»