Roger Waters liefert im Hallenstadion ein grosses Multimedia-Spektakel

Roger Waters ist auf grosser Abschiedstournee. Ein musikalisch gutes Pink-Floyd-Best-Of, garniert mit einigem Nervpotenzial.

Michael Graber
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Roger Waters bei seinem Auftritt im Zürcher Hallenstadion am Montagabend. (KEYSTONE/Walter Bieri)

Roger Waters bei seinem Auftritt im Zürcher Hallenstadion am Montagabend. (KEYSTONE/Walter Bieri)

Und einen kleinen Penis hat er natürlich auch noch. Donald Trump wird während «Pigs» auf derart viele Art verunglimpft, dass die Kritik hohl wird. Trump als Nazi, Trump als Ku-Klux-Klan-Member, Trump als Molch. Roger Waters hat ganz offensichtlich eine Aversion gegen den amerikanischen Präsidenten. Damit ist er ja auch nicht alleine, aber wäre es für den Narzissten Trump nicht die viel grössere Strafe, man würde ihn einfach ignorieren? Seis drum. Waters wählt den plakativen Weg. Da steht gar noch in Übergrösse «Trump ist ein Schwein». Kurz zuvor war ein Demonstrant eingeblendet, der ein Schild hochhält, auf dem steht, dass er «Liebe gegen Trumps Hass» wähle. Waters will den Hass mit Hass löschen. Das funktioniert selten und führt im schlechteren Fall noch zu mehr Hass.

Roger Waters, mittlerweile 74 Jahre alt, ist auf seiner letzten Tournee und will offensichtlich noch ein paar Sachen loswerden. Eben das mit Trump zum Beispiel. Und am Schluss – allerdings ziemlich hassfrei – auch ein paar Sachen zum Thema Palästina. Der Rahmen für dieses Abladen ist seine «Us And Them»-Tour. Ein mit am Montagabend gerade einmal vier eigenen Songs (allesamt aus dem aktuellen Album) unterfütterten Pink-Floyd-Best-Of. Zusammen mit sehr guter, zehnköpfiger Band (warum zur Hölle tragen die Backgroundsängerinnen Glitzerkleidchen und blonde Perücken?) ackern sie sich recht werkgetreu durch das von Waters geprägte Pink-Floyd-Repertoire.

Musikalisch ist das immer noch sehr beeindruckend. Das ist präzis, kraftvoll und klingt im fast ausverkauften Hallenstadion sensationell. Rundum-Effekte sei Dank. Plötzlich flüstert es aus einem anderen Ecken, oder es grunzt, oder schiesst. Waters bleibt auch auf seiner letzten Tour der Konzeptdenker. Für «Another Brick in The Wall» stampft eine Zürcher Schulklasse in IS-Gefangenenuniformen auf die Bühne, singt die Zeilen mit und entledigt sich anschliessend des orangenen Kostüms. «Resist» steht auf den schwarzen Shirts drunter. Widerstand! Dazu folgen sie den Bewegungen von Vortänzerinnen.

Noch mehr Leinwände

So entlässt Waters auch in die Pause. Zwanzig Minuten. Genug Zeit für ein Cüpli und eine Wurst. Drin erklärt er via Leinwand, wem wir alles zu widerstehen haben. Trump zum Beispiel. Oder Mark Zuckerberg – das gibt bestimmt ein gutes Foto für Facebook. Nach der Pause erscheint dann am Stadiondach wuchtig gross die Battersea Power Station, die auch das Cover von «Animals» ziert. Und es entwickelt sich ein regelrechtes Multimedia-Spektakel. Es sind nun noch mehr Leinwände auf denen etwas passiert und nicht mehr nur auf dem übergrossen Screen hinter der Band. Gleichzeitig flacht aber erstmals der musikalische Druck ab. Vielleicht fehlt auch einfach der Fokus des Betrachters. Es ist schlicht und einfach zu viel, was einem da serviert wird. Schade, es ist mehr eine Überforderung als ein Gewinn. Erst im zweiten Teil des pathetisch recht überladenen zweiten Sets zieht der Druck wieder an. «Us and Them» super, «Brain Damage» grandios, «Eclipse» berührend.

Waters spielt den Bass und singt. Er sagt wenig. Eigentlich zum ersten Mal vor dem Zugabeblock (eben das mit Palästina). Und: Seine Ferienwohnung in der Schweiz habe einen Luftschutzkeller. Ob wir Schweizer tatsächlich glauben, dass das im Falle eines Falles etwas bringen würde – «Es wird nicht helfen», sagt Waters. Und dann noch, dass keine Rockband ohne Zugabe von der Bühne gehe. Er hält den Bass nach oben und lässt sich für diese Aussage feiern. Auch mit 74 ist er noch ein unverbesserlicher Rocker. Da huscht ein Lachen über sein viel jünger wirkendes Gesicht. Der Mann mag tieftraurige, pessimistischste Lieder schreiben und oft und hart mit sich gerungen haben, aber diesen Moment, den geniesst er. Von «This is for my Mother», leitet er zu «Mother» über. Dieser wunderbare Frage-Song. Bei «Mother, should I trust the government» blitzt über die Leinwand «Auf! Keinen! Fall!» auf. Kurz denkt man: Weltverbesserungskritik könnte auch witzig sein, dann schleicht sich bereits «Comfortably Numb» an. Da vergisst man sogar all die doch recht tumben Trumpereien.