Chorkonzerte sind derzeit tabu. Die Weihnachtszeit war karg – und stiller, als uns wirklich lieb ist. So sind wir hellhöriger als sonst. Die Nachbarn auch.
Sängerinnen und Sänger haben derzeit einen schweren Stand. Wo immer sie auftauchen, stets sind sie zum Stillsein verurteilt – so wie der Barde Troubadix am Ende jedes Asterix-Bandes beim grossen Schlussbankett («Nein, du wirst nicht singen!»). Hatte man vor Corona noch die Sorge, das Singen werde mangels Pflege an Schulen und zu Hause als gemeinschaftsstiftende Kulturpraxis aussterben, gilt heute jeder als Superspreader, der es noch immer tut.
Ja, es war ein Elend vor und über Weihnachten: Kein Kinderchor neben der Tanne auf dem Klosterplatz; in Gottesdiensten nur Gemurmel hinter Masken. Zumindest Profisänger dürfen ihren Beruf noch ausüben – wenn sich denn irgendwer findet, der sie bezahlt: für Auftritte hinter verschlossenen Türen, Konzerte via Livestream wie etwa Bachs «Weihnachtsoratorium», das am Sonntag im St.Galler Dom gesungen wird. Natürlich ohne Chor.
Bleibt oft nur der Trost der Konserve. Zu Hause stapeln sich die CDs mit Chormusik; sonst hatte man nie Zeit, sie anzuhören. Mit etwas Glück passiert dann Folgendes: Man borgt die liebste CD einer Freundin; die legt sie in ihrer Wohnung ein, bei Zimmerlautstärke. Wenig später schreibt der Nachbar von oben ein SMS : «Sehr schön, Liebe Grüsse». Sie will schon leiser stellen, doch so ist es nicht gemeint. «Nein, bloss nicht. Von mir aus volle Kanne!» Die dritte in der Hausgemeinschaft wird verständigt, alle hören schliesslich «Christmas in Europe», durch die Wände. Gute Musik findet ihren Weg. So hellhörig wie gerade – und so bedürftig nach Kunst – waren wir vorher selten.
Bei der erwähnten CD handelt es sich um eine Neuerscheinung des Labels Deutsche Harmonia Mundi: «Christmas in Europe», eine Aufnahme des Balthasar-Neumann-Chores unter der Leitung von Thomas Hengelbrock.