84 Texte fürs Klo: Der St.Galler Autor Ralph Weibel hat «Noch mehr Toiletten-Lektüre» geschrieben

Von A wie «AGB» bis W wie «Wienachtsesse»: Zum dritten Mal veröffentlicht der St.Galler Autor Ralph Weibel Texte, die für die Bühne gemacht wurden und fürs WC gedacht sind.

Roger Berhalter
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Ralph Weibel (mit Mütze) bei der letzten Ausgabe der Lesereihe «Tatwort» in der St.Galler Südbar, zusammen mit Richi Küttel (Mitte) und Etrit Hasler.

Ralph Weibel (mit Mütze) bei der letzten Ausgabe der Lesereihe «Tatwort» in der St.Galler Südbar, zusammen mit Richi Küttel (Mitte) und Etrit Hasler.

Bild: Urs Bucher (9. März 2020)

Das Cover fällt auf, denn es wirkt wie ein Hinweisschild zur Bekämpfung von Stehpinklern. Ein stilisierter Mann steht vor einer WC-Schüssel und ist rot durchgestrichen. «Noch mehr Toiletten-Lektüre» heisst der inzwischen dritte Band des St.Galler Autors und Bühnenkünstlers Ralph Weibel. Zum dritten Mal veröffentlicht er augenzwinkernde Kurzgeschichten, die aus dem Alltag gegriffen sind.

Es sind keine tiefgründigen Geschichten, es ist keine hochstehende Literatur, sondern vielmehr für die Bühne gemachte und fürs Badezimmer gedachte Unterhaltung. Darauf weist auch die Buchgestaltung hin: In einer Ecke ist ein Loch ins Buch gestanzt, an dem eine Kette befestigt ist. Dazu ein Saugnapf mit Haken, damit man die Toiletten-Lektüre neben dem WC an die Wand hängen kann.

Das Buchcover mit Kette in der Ecke und explizitem Piktogramm.

Das Buchcover mit Kette in der Ecke und explizitem Piktogramm.

Bild: Roger Berhalter

Zuerst «Toiletten-Lektüre», dann «Mehr Toiletten-Lektüre» und jetzt «Noch mehr Toiletten-Lektüre»: Ralph Weibel räumt lachend ein, dass das Konzept wohl allmählich ausgereizt sei. «Eigentlich wollte ich keinen Band mehr veröffentlichen», sagt der 52-Jährige.

Im Verlauf der vergangenen Jahre hätten sich aber wieder viele Texte angesammelt. Vor allem im Rahmen der Lesereihe «Tatwort», die im März zu Ende ging, und für die Weibel jeden Monat einen kurzen Text zu einem bestimmten Thema geschrieben hat. Viele davon finden sich im neuen Buch wieder.

Seine Ideen findet Weibel im Alltag, wie er sagt:

«Die meisten Geschichten sind tatsächlich so oder ähnlich passiert. Ich habe sie in überspitzter Form aufgeschrieben.»

Es geht beispielsweise um Elterngespräche, Geburtstagsgeschenke, Hochnebel, Laubbläser, Metzgete und Spiegeleier. Eine simple Tatsache wie eine Mücke im Schlafzimmer genügt Ralph Weibel, um daraus eine Geschichte zu drehen – wenn auch keine lange. «Das Leben ist zu kurz für lange Geschichten», lautet der Untertitel des Buches.

Insgesamt sind es 84 Texte, alphabetisch sortiert von A wie «AGB» bis W wie «Wienachtsesse». Ein paar davon waren schon in den letzten zwei Bänden drin, doch da diese mittlerweile vergriffen sind, hat Weibel einige seiner Lieblingstexte erneut veröffentlicht.

«Rhintaler Wiiber» und «Appezellerinne mit Glitzer-Steili»

Unter anderem den Dauerbrenner «Olma – Hundsverlochete», wo Weibel die beliebte Messe durch den Kakao zieht und sich den Frust über dieses «landwirtschaftliche Botellón» von der Seele lästert. Die «Appezellerinne mit dä Glitzer-Steili» müssen ebenso dran glauben wie die «Rhintaler Wiiber» mit ihren Blusen «mit so Paillette oder irgend än farbige Vogel uf äm T-Shirt und Jeans mit Swarovski-Steili».

Es ist eine amüsante und auf präziser Beobachtung basierende Publikumsbeschimpfung, mit der Weibel auch viral gegangen ist. Über 200'000 Mal (!) wurde sein Video auf Youtube bis jetzt angeklickt. Bis heute erhalte er jedes Jahr Reaktionen – selbst dieses Jahr, obwohl die Olma wegen Corona gar nicht stattfand.

Das Vorlesen ist ein wichtiger Aspekt von Weibels Texten. Sie sind nicht nur fürs Klo, sondern vor allem für die Bühne gemacht. «Sie gewinnen, wenn man sie szenisch liest», sagt der Autor, der seit 13 Jahren in der August-Bar in St.Gallen eine monatliche Lesung hält.

Diese Reihe möchte er unbedingt fortführen, auch in Pandemiezeiten, selbst wenn in der Bar derzeit höchstens 16 Gäste aufs Mal zugelassen sind. Das ist Weibel wichtig:

«Wir dürfen jetzt nicht alle kulturellen Anlässe sterben lassen. Gewisse Veranstaltungen muss es weiterhin geben.»

So plant Ralph Weibel Mitte Dezember erstmals eine satirische Weihnachtslesung im Keller zur Rose in St.Gallen, und zusammen mit seinem Bühnenpartner Christian Weiss (bekannt von Heinz de Specht) tritt er weiterhin im Duo Weibel/Weiss auf.

Ralph Weibel tritt zusammen mit seinem Bühnenpartner Christian Weiss unter dem Namen Weibel/Weiss auf.

Ralph Weibel tritt zusammen mit seinem Bühnenpartner Christian Weiss unter dem Namen Weibel/Weiss auf.

Bild: PD

Auch wenn Weibel, der hauptberuflich als Redaktor und Produzent für die Satirezeitschrift «Nebelspalter» arbeitet, seit Februar so gut wie keine Bühnenauftritte mehr gehabt hat, bleibt er mit Blick auf die Kulturbranche zuversichtlich. Grössere Anlässe seien zwar bis auf weiteres undenkbar, doch sehe er Chancen für kleinere, aber feinere Formate. Nach dem Motto: «Lieber vor einem kleinen Publikum auftreten als gar nicht.»