Suzi Quatro ist seit bald fünfzig Jahren im Geschäft und beweist auf ihrem neuen Album «The Devil In Me» ihre Liebe zum Rock’n’Roll.
Auf dem fünf Kilometer langen Einkaufsspaziergang von ihrem Domizil im englischen Essex bis zum nächsten Dorf hat Suzi Quatro eine spannende Beobachtung gemacht, die sie direkt hat einfliessen lassen in den Text zu «Isolation Blues», einem der stärksten Songs auf ihrem neuen Album. «Die Mülltonnen der Leute», erzählt die Rock-’n’-Roll-Ikone am Telefon, «sind bis zum Überlaufen voll mit Flaschen aller Art – Bier, Wein, Wodka, Scotch. Alles, was man sich nur vorstellen kann. Ich verstehe die Leute. Ausser saufen kann man zurzeit nicht viel machen.»
Auch Quatro, der die Pandemie vor allem deshalb zu schaffen macht, weil Rainer Haas, der Mann, den sie vor 28 Jahren heiratete, seinen Lebensmittelpunkt in Hamburg hat («Persönlich gesehen haben wir uns zuletzt an Weihnachten»). Das habe ihren Alkoholkonsum noch oben angepasst – wenngleich von einem niedrigen Niveau aus.
«Ich brauche nicht viel, um lustig zu sein. Ich habe die Leber eines Babys. Eine Drogenperson bin ich nie gewesen.»
Das unterscheidet Quatro, die wie Alice Cooper und Iggy Pop in Detroit grossgeworden ist, von den männlichen Kollegen. «Ich bin high, wenn ich auf der Bühne stehe, auf ganz natürliche Weise. Ich verstand nie, warum sich jemand für ein Konzert mit Koks oder Schnaps zudröhnen muss. Ich will zu 300 Prozent fit und präsent sein für mein Publikum. Im Rausch geht das nicht.»
Selbstbewusstsein klingt in jedem ihrer Sätze durch. Völlig zu Recht, denn die 70-Jährige hat Geschichte geschrieben. 1973 gelang Quatro – die zwei Jahre zuvor nach England übergesiedelt war und später mit dem ersten Ehemann ihren Sohn Richard bekam – direkt mit dem Debütalbum der Sprung in eine Weltkarriere.
Die frühen Hits wie «Can The Can» oder «Daytona Demon» sind legendär. Richard Tuckey ist heute ihr Produzent, Gitarrist und engster musikalischer Vertrauter, doch die disziplinierte Suzi Quatro kennt bei der Arbeit buchstäblich keine Verwandten. «Meine Beziehung zu den Menschen ändert sich in dem Moment, in dem ich mit ihnen arbeite. Das eine ist Suzi, die auch mal still und verletzlich sein kann, das andere ist Suzi Quatro, die Powerfrau.»
Auf «The Devil In Me» liefert das Mutter-Sohn-Gespann denn auch energiegeladene, leidenschaftliche und klassische Quatro-Songs. Harte Rocksongs wie «Hey Queenie» oder «Get Outta Jail» bilden eine stimmige Einheit mit ein wenig Glamrock, ein paar Bluesnummern sowie der einfühlsamen Pianoballade «In The Dark», die von einsamen Pandemieabenden inspiriert ist.
«Auch ich habe Phasen der Verzweiflung, in denen ich gegen Wände renne und kaum noch aufstehen will. Doch ich bin auch eine typische Detroiterin – widerstandsfähig und zäh.»
Und so will Quatro, die schon früh wusste, dass sie ihr Leben lang als Sängerin auf der Bühne stehen würde («Ich sah Elvis im TV und war wie hypnotisiert») auch weitermachen, solange Körper und Stimme in Schuss sind. «Ich habe eine Vorbildfunktion», sagt sie. «Ich war die erste Frau, die eine Rockband anführte. Das ist mein Erbe, meine Rolle in den Geschichtsbüchern.»
Als Feministin hat sich Suzi Quatro allerdings nie gesehen. «Ich war einfach ein weiblicher Mensch, der Musik macht und seine Weiblichkeit nie ausgereizt hat. Ich hatte ja keine Ahnung, wie einflussreich ich damit war. Trotzdem bin ich nicht hier, weil ich eine Frau bin. Sondern weil ich keine Kompromisse mache, mich nie verkauft habe und immer ehrlich zu mir geblieben bin. Und weil ich verdammt gut bin in meinem Job.»
«The Devil In Me», ab 26. März.