Kunst
Die international gefeierte Künstlerin und Musikerin Kim Gordon stellt im Museum Bellpark in Kriens aus

Die «Sonic Youth»-Bassistin und Sängerin Kim Gordon schlüpft im Krienser Museum Bellpark in die Rolle einer Maklerin. Zu sehen gibts viele Werbefloskeln aus der Immobilienbranche.

Anja Nora Schulthess
Drucken
Kim Gordon (im weissen T-Shirt) und Josephine Pryde stellen aus im Bellpark Kriens.

Kim Gordon (im weissen T-Shirt) und Josephine Pryde stellen aus im Bellpark Kriens.

Bild: Nadia Schaerli

Kim Gordon, bekannt als ehemalige Bassistin der US-Kultband Sonic Youth, beehrt das Museum im Bellpark in Kriens mit einer multimedialen Ausstellung. Zusammen mit der englischen Künstlerin und Fotografin Josephine Pryde, die heute in Berlin lebt, lotet sie in der ehemaligen Fabrikantenvilla Öffentlichkeit und Privatheit aus und entblösst subtil die Versprechungen des Marktes.

«Paradise Valley Estates», «Gated Hill Estates», «Met (the) at Woodland Estates» – Werbeslogan reiht sich an Werbeslogan aus der Immobilienbranche, die für Appartementkomplexe in Los Angeles werben und ein luxuriöses Leben in abgeschirmter Privatheit versprechen. Kim Gordon hat sie gesammelt und auf Deko-Stoffe appliziert. Krakelige Schrift, verschmierte Farbe und Flecken: Trash und Punk treffen auf Werbefloskeln und rosa geblümte Tapetenmuster. Die Ästhetik sei bewusst brutal, bestätigt Kim Gordon im Gespräch. Los Angeles, wo die Künstlerin lebt, habe sich mit solchen Immobilien, «real estates», entwickelt. Gordon verweist auf die Hässlichkeit solcher Appartement-Komplexe, die versprechen, einzigartig zu sein, und genau darin alle gleich sind.

Kim Gordon: «Met (the) at Woodland Estates».

Kim Gordon: «Met (the) at Woodland Estates».

Bild: Nadia Schaerli

Der Lack über dem American Dream

Ökonomisierung und das uneingelöste Versprechen des American Dream ziehen sich wie ein roter Faden durch das Werk der 71-jährigen Künstlerin und Musikerin. Airbnb / Airbnb / Air bnb / Could set me free («Airbnb könnte mich befreien») singt sie auf ihrer ersten Soloplatte No Home Record, mit der sie dieses Jahr durch Europa tourte. Und während es in der Musik dunkle Gitarrenriffs und vertrackte Beats sind, die das Airbnb-Versprechen entblössen, sind es hier in Kriens Farbspuren.

Für die Serie Bedroom Paintings hat sie Betten in Hotelzimmern, in denen sie übernachtete, mit dem Smartphone fotografiert, digital bearbeitet und auf Leinwände aufgezogen. Trashige Instant-Fotografie trifft auf das klassische Tafelbild. Gordon wählt stets Sujets, die sie umgeben. Nur folgerichtig, dass sie während ihrer Aufenthalte in Kriens auch das Museum selbst und auch leerstehende Wohnungen der Umgebung, Spekulationsobjekte, in Szene setzt. Ein Video, zusammengeschnitten aus Handy-Aufnahmen, die Gordon unbemerkt während ihres ersten Aufenthalts im Museum im Bellpark gemacht hat, dokumentiert die Entstehung der Ausstellung. Die Künstlerin tritt quasi in die Position einer Immobilienmaklerin, lotet die Möglichkeiten des Hauses aus und verweist so subtil auf die Vision, dass auch das Museum dereinst zum Spekulationsobjekt werden könnte.

Kim Gordons Vorschlag, das Museum als Spekulationsobjekt zu bewerben.

Kim Gordons Vorschlag, das Museum als Spekulationsobjekt zu bewerben.

Bild: Nadia Schaerli

Das Unbehagen und der Sinn für Ernst und Humor

Eigens für die Ausstellung hat Josephine Pryde leerstehende Wohnungen und Büros in Kriens und Luzern analog fotografiert. Kleine, dort platzierte Gegenstände, eine Perlenkette, eine Brille, eine Babymatte, verweisen auf die Menschen, die dort gewohnt haben. Mehrfachbelichtungen und Unschärfen verstärken den verfremdenden Effekt und lösen ein gewisses Unbehagen aus, das einen beim Betrachten dieser Räume überkommt. Der Rundgang mit den beiden befreundeten Künstlerinnen bestätigt ihren Sinn für die Gleichzeitigkeit von Ernst und Humor. Das ist doppelbödig, hintersinnig, politisch, jedoch niemals plakativ.

Eine solche ernsthaft-ironische Doppelung ist auch das fingierte Label «Design Office», unter dem Kim Gordon seit den 80ern ausstellt, als sie noch keine Galerie hatte. Also schuf sie sich diese Möglichkeit selbst – mit einem «fake collective», das ihr erlaubte, Identität und Autorschaft zurückzunehmen. «Das nimmt den Druck», sagt sie und lacht. Andererseits ist das Label auch ironischer Kommentar zu einer Kunstwelt, die sich längst zu einem Markt entwickelt hat, auf dem Kunstobjekte die Aufwertung des eigenen Lebensgefühls versprechen. Gordon ist eine Künstlerin, die die Diskrepanz zwischen öffentlicher und privater Person und ihr Unbehagen damit stets thematisiert hat.

Eine (Haus-)Frau und ihre lästige E-Gitarre

Im Video Private Window sehen wir ihr dabei zu, wie sie schläft, putzt, staubsaugt, Essen für sich und ihre Tochter zubereitet – stets mit einer E-Gitarre um den Hals. Mal knallt das Instrument gegen den Badewannenrand, Saiten klingen an, Knistern, Knacken Störgeräusche im Leerlauf durch das Feedback des Verstärkers. Die Gitarre, meint Gordon, sei mehr eine Erweiterung ihrer selbst. Doch wann, fragt Künstlerfreundin Pryde kommentierend, habe denn diese Frau bei all ihrer häuslichen Arbeit überhaupt Zeit, Kunst und Musik zu machen?

Kim Gordon for Design Office Feat. In-House Photography by Josephine Pryde, Museum im Bellpark Kriens, bis 18. Dezember.