Animationsfilmfestival
In Kabul bröckelt das Glück: Eine animierte Liebesgeschichte im Schatten der Taliban

Das Fantoche ist der Ort für Entdeckungen im Animationsfilm – etwa die traurig aktuelle Liebesgeschichte «My Sunny Maad».

Anna Raymann
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In Kabul findet Herra nicht nur einen Sohn, sondern eine ganze Familie.

In Kabul findet Herra nicht nur einen Sohn, sondern eine ganze Familie.

zVg

Es ist Liebe auf den ersten Blick als sich Nazir im vollen Vorlesungssaal der Prager Universität neben Helena setzt. Ab dieser ersten Begegnung ist die junge Liebesgeschichte allerdings alles andere als selbstverständlich: Das Paar zieht zu Nazirs Familie nach Kabul, wo die Taliban noch immer das gesellschaftliche Leben kontrollieren. Helena legt ihren westlichen Namen ab, wird zu Herra und legt das Kopftuch und manchmal sogar die Burka an. Vieles ist ihr fremd, doch «wenn eine Frau niemandem ausser ihrem Mann gefallen will, kann sie hier ein glückliches Leben führen», so stellt sie fest.

Die zaghafte Annäherung an die neue Heimat beginnt alsbald zu bröckeln: Nazir und Herra können keine Kinder bekommen. Schliesslich sind es nicht die bitteren Heiltränke der Tanten, die den beiden zum ersehnten Familienglück verhelfen, sondern ein sonderbares Findelkind. Mohammed «Maad», mit einem Kopf «wie eine Glühbirne» macht das Paar zu einem herzerweichenden Trio. Fortan zu dritt suchen sie ihren Weg zwischen Tradition, Emanzipation und der wachsenden politischen Spannung im Schatten von Osama bin Ladens Terror.

Komplexe Geschichte, schlichte Bilder

Der Abzug der amerikanischen Truppen aus Afghanistan und das erneute Erstarken der Taliban verleiht der Geschichte traurige Aktualität. Wieder fürchten insbesondere Frauen um ihre Freiheit. Die tschechische Filmemacherin Michaela Pavlátová hält dem drohenden Schrecken mit «My Sunny Maad» ein differenziertes Gesellschaftsporträt entgegen, das Klischees und Vorurteilen geschickt ausweicht. Die Perspektiven ertappen, wenn etwa der Onkel am Fernsehen nüchtern den Terrorakt zu 9/11 kommentiert: «Würde dasselbe in Kabul passieren, hätte es keiner bemerkt.» Die komplexen Nuancen von Land und Menschen übersetzt die Regisseurin wiederum in simple, zeitweise leicht holprige 2D-Bilder.

Der Zeichentrick wurde am Festival d’Animation Annecy mit dem Jury Award ausgezeichnet und feiert nun am Fantoche seine Schweizer Premiere.

Filme feiern eine zerbrechliche Welt

Zwar läuft die zarte Liebesgeschichte im Programm der Langspielfilme, genauso passt «My Sunny Maad» aber auch zum diesjährigen Themenfokus «Un Monde Fragile». Dieser Übertitel kommentiert ein Jahr, das Film, Kino und viel mehr noch die Gesellschaft an sich herausgefordert hat. Beziehungen – zwischenmenschliche, ebenso wie politische – sind zerbrechlicher denn je. Erschreckend treffend ist da im Programm etwa auch der «Sorgenspiegel – ein gezeichnetes Drama», der herrschende Zukunftsängste lebhaft illustriert.

Noch bis Sonntag steht Baden also wieder ganz im Zeichen des Animationsfilms. Es ist die 19. Fantoche-Ausgabe – die zehnte und letzte unter der Leitung von Festivaldirektorin Annette Schindler.

My Sunny Maad: 9.9. Kino Sterk 1 und 10.9. Kino Trafo 3, jeweils 18:45 Uhr