Anlässlich der Ausstellung «Picasso – El Greco» präsentiert das Kunstmuseum Basel in Kooperation mit dem Theater Basel die Tanzperformance «Hidden Matter».
Im Streiflicht bewegen sich – zu einem rhythmischen Klangteppich – lebendige Formationen, wie in Stein gemeisselt. Performed wird im ersten Stock des Hauptbaus des Kunstmuseums Basel: Es lassen sich dabei lebende, atmende Körper betrachten, die mit ihren Posen und Gesten die Intimität durch Nähe zulassen.
Unmittelbar vor dem Publikum bewegen sich sechs Körper in geschmeidiger Präzision synchron, asynchron, die Synchronität wieder findend. Man ist Zeuge einer hohen körperlichen Leistung und hört sogar den Stoff der Kleidung der Darstellenden, wie er auf dem Steinboden schleift. Wobei man sich bisweilen vom Blick eines Tänzers ertappt fühlt.
Die Körper suchen unermüdlich nach Ausdruck und finden diesen mit passenden Konstellationen, die sich an der bildenden Kunst orientieren. Die Nähe zwischen Tanzenden und Zuschauenden ist hier Programm: In Kunstmuseen ist es möglich, nahe an Bilder und Skulpturen heranzutreten. Tanzaufführungen hingegen finden in der europäischen Kultur in der Regel auf einer Bühne statt, in sicherer Distanz zum Publikum. Das ist bei «Hidden Matter, ein Tanzabend durch verborgene Realitäten» anders.
Insgesamt sechsmal in diesem Monat lassen sich die drei Tänzerinnen und drei Tänzer des Ballettensembles vom Theater Basel in der Choreografie von Rachelle Scott im Kunstmuseum Basel aus nächster Nähe erleben. Die Idee für diese Kooperation stammt vom Kurator des Kunstmuseums Basel, Daniel Kurjakovic.
Unter der künstlerischen Leitung des Ballettdirektors Richard Wherlock haben sich die französisch-amerikanische Choreografin Rachelle Scott und die britisch-indische Video- und Digitalkünstlerin Permi Jhooti mit der Vorbildthematik beschäftigt. Denn, wie Kunstschaffende sich an Vorbildern orientieren, ist auch der Fokus der Sonderausstellung «Picasso – El Greco».
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts weckte Pablo Picasso (1881–1973) neues Interesse an den Werken von Doménikos Theotokópoulos, besser bekannt als El Greco (1541–1614). Mit einer gegenüberstellenden Werkschau zeigt das Kunstmuseum Basel jetzt auf, wie intensiv sich Picasso mit den Gemälden von El Greco beschäftigt hat. Übereinstimmungen sind an einem einzigen Blick oder an einer Körperhaltung erkennbar, dennoch ist der Ausdruck nie völlig identisch. Diese unendliche Suche nach Verbindungen und Parallelen unterstreicht zugleich die Einmaligkeit der Darstellungen.
Dass selbst in der Präzision der Nachahmung stets ein Spalt zur Andersartigkeit offen bleibt – diesen Sachverhalt erlebbar zu machen, gelingt «Hidden Matter» aufs Beste. Aber mehr noch: Scott erzählt mit den Tänzerinnen und Tänzern Geschichten, in denen menschliche Gefühle verhandelt werden, zwischen Mann und Frau, zwischen Frauen, zwischen Männern. Und immer geht es um ein Ringen – um eine Angleichung, um das Zusammenfinden und ein erneutes Individualisieren, um Unabhängigkeit. Es sind Themen, die beschäftigen, mit denen die beiden Künstlerinnen Scott und Jhooti einen Nerv der Zeit treffen.
Die Projektion der Video- und Digitalkünstlerin Permi Jhooti ist mit ein zentraler Bestandteil des Abends und weit mehr als blosser Hintergrund. Das bewegte Bild ist sowohl an der Aussenwand im Innenhof als auch im Innern des ersten Stocks auf dem Stoff vor den Fenstern nachverfolgbar. Zu sehen sind verpixelte tanzende Körper, die sich nach und nach auflösen, um sich dann wieder zu erkennbaren Körpern zu formieren.
Dabei wird deutlich, dass bereits einige wenige Bildinformationen ausreichen, um ein Flimmern plakativer Pixel als tanzende Körper wahrzunehmen. Sogar konkrete Tanzabläufe wie Pirouetten nimmt das Auge wahr, die später die Tanzenden in der Realität wieder aufnehmen. Eine verpixelte Vorwegnahme also, die besagt, dass alles schon gewesen ist.
Die Tänzerinnen und Tänzer liefern eine herausragende Leistung, und einmal mehr darf man das vielseitige, hochkarätige Ballettensemble des Theaters Basel rühmen. Speziell hervorzuheben gilt es das zärtliche, differenzierte Duett zwischen Mikaela Kelly und Max Zachrisson. In Kellys Gesicht lässt sich von einem Moment auf den nächsten eine rasche Ausdrucksabfolge lesen, was dieselbe Wirkung hat wie das Scrollen verschiedener Porträts oder Selfies auf dem Smartphone.
Das Alter Ego von El Greco (Zachrisson) ist zum Ende allein und auf sich selbst zurückgeworfen. Wie ein Porträt, das seine Betrachterinnen und Betrachter mit der Intimität eines Menschen aus nächster Nähe zu berühren vermag.
«Hidden Matter» von Rachelle Scott und Permi Jhooti, Kunstmuseum Basel, Hauptbau, Innenhof und erster Stock. Vorstellungen: 9.9., 10.9., 13.9., 14.9., 16.9., 17.9., ab 20 Uhr.