Die neue künstlerische Leitung des Volksmusik-Festivals in Altdorf vom 12. bis 15. August, Barbara Betschart und Graziella Contratto, setzt neue Akzente.
Das Internationale Festival Alpentöne in Altdorf gilt als wichtigstes Treffen für Neue Volksmusik im Alpenraum. Die Wahl des Urner Kantonshauptortes kommt nicht von ungefähr: Das Passland Uri war seit jeher ein Ort der Begegnung des Andersartigen und des Austausches von Menschen unterschiedlicher Nationen und ist wohl gerade deshalb solch ein lebendiger Kulturraum. Seit 22 Jahren interpretieren alle zwei Jahre Musikerinnen und Musiker aus dem gesamten Alpenbogen Elemente alpiner Musik neu. Das hier stipulierte Aufeinandertreffen von neuer und traditioneller Volksmusik löst stets starke Impulse auf die Musik der Berge aus.
An der letzten Ausgabe 2019 hat der ehemalige Direktor der Schweizer Kulturstiftung Pro Helvetia, Pius Knüsel, die Geschäftsführung der Alpentöne übernommen. Für die diesjährige zwölfte Ausgabe wurde mit Barbara Betschart und Graziella Contratto auch die künstlerische Leitung neu besetzt. Die beiden seit Jahrzehnten befreundeten Musikerinnen und Kuratorinnen wollen mit ihren reichen Erfahrungen als Musikvermittlerinnen und Festivalveranstalterinnen frische Akzente in die Alpentöne bringen – Sound Arts, Klanginstallationen, soziale Performances, Sagenerzählungen und eine Degustation von Seelisberger Käse, der während der Lagerung regelmässig volksmusikalisch beschallt wurde.
Ein weiteres Augen- und Ohrenmerk richten sie auf die «Teilhabe» von Familien. Etwa mit dem Eröffnungskonzert mit Kindern der Schule Stiftung Papilio und mit Familienalpentöne im Kulturkloster. Das ehemalige Kapuziner-Stift zählt mit dem Gartenpavillon beim Haus der Musik zu den beiden neuen Auftrittsorten.
Bei allen Neuerungen sollen aber die bewährten Elemente wie «Auftragswerke (diesmal von den Musikhochschulen Luzern und Salzburg) sowie «das Beste der Neuen Volksmusik» nicht fehlen. Dass auch bei den neuen Intendantinnen Österreich als Schwerpunkt zu Ehren kommt, hängt zum einen mit deren Vorlieben zusammen, bietet zum andern aber auch Gewähr für Vielfalt und Qualität.
Langjährige Altdorf-Besucher dürfen aber keine Worldmusic-Protagonisten wie Mnozil Brass, Attwenger, Da Blechhauf’n oder Herbert Pixner erwarten, welche dem Festival seit Anbeginn den Stempel aufgedrückt haben, sondern vor allem traditionelle Musik der Bregenzerwälder Liedtradition über die steirische oder Kärtner Volksmusik und oberösterreichische Schrammeln bis zum Wiener Dudler.
Graziella Contratto erklärt: «Statt dieser oft etwas oberflächlichen, lauten Crossover-Musik wollen wir für einmal bewusst mehr hintergründige und daher vielleicht authentischere Töne bieten.» Abzusehen ist deshalb jetzt schon, dass wohl nicht eine Austria-Combo am Samstagabend zum Top Act avancieren dürfte, sondern Ambäck, das moderne Innerschweizer Volksmusik-Trio um Akkordeon-Professor Markus Flückiger.
Etwas weniger spontan wie üblich lässt sich diesmal auf Entdeckung der grösstenteils unbekannten Formationen gehen, weil die beliebten Festivalpässe coronabedingt nicht erhältlich sind, sondern nur Einzelbillette. Gemäss Mediensprecher Rafael Brand sind die Veranstalter aber froh, Alpentöne als eines der wenigen Sommerfestivals überhaupt durchführen zu können. Neben den konzertanten Darbietungen im Theater Uri, im Cinema Leuzinger und in der Kirche St.Martin sind aber die Aufführungen an vier weiteren Schauplätzen gratis.
Internationales Festival Alpentöne Altdorf, 12.–15. August.
Wie hat sich die Musik der Alpen verändert?
«Der grösste Unterschied zu früher ist, dass sich die Volksmusik von der Tanz- zur Konzertmusik entwickelt hat.»
Domenic Janett: Urgründer von Ils Fränzlis da Tschlin. Ausgehend von der traditionellen Engadiner Volksmusik, streunen die Fränzlis seit 35 Jahren mit Lust und Freude durch alle möglichen und unmöglichen Musikstile.
«Wenn man nur 200 Jahre zurückgeht, findet man vieles von dem, was wir als Tradition bezeichnen, gar nicht. Die Volksmusik ist vom Fuss in den Kopf hinauf gewandert, und wir bringen sie nicht mehr hinunter.»
Noldi Alder: Der Spross aus der wohl bekanntesten Volksmusik-«Dynastie» Alder in Urnäsch verliess 1995 das Familienunternehmen und schlug mit eigenen Projekten eine Brücke zwischen überlieferter und experimenteller Volksmusik.
«Früher haben die Berge die Musik in den engen Tälern noch massgeblich geprägt, etwa im engen Muotatal, das die Musikanten kaum verliessen. Heute hingegen ist die Musik der ganzen Welt jederzeit online verfügbar.»
Fränggi Gehrig: Der Andermatter Akkordeonist gehört zur jüngsten, akademisch ausgebildeten Generation von Volksmusikern, deren innovative Musik zugleich ein lebhaftes Bekenntnis zur traditionellen Schweizer Volksmusik ist.
«Ich hole mir die Inspiration von den Alpen – sie bleiben die Wurzeln meines Schaffens.»
Christian Zehnder: Der gelernte Bariton gilt als führender Obertonsänger Europas und bewegt sich zwischen Jazz, neuer alpiner Musik und zeitgenössischem Theater.