Der türkischer Staatschef Recep Tayyip Erdogan lenkt ein und stoppt seine Syrien-Invasion vorerst.
Gutes Zureden und Drohkulisse: Mit einer Doppelstrategie versuchen die USA, den türkischen Präsidenten zu einem Stopp seiner Militäroffensive in Syrien zu bewegen und so den eskalierenden Konflikt zu entschärfen. Lässt Erdogan sich nicht überreden, will US-Präsident Donald Trump mit Sanktionen die türkische Wirtschaft «zerstören».
Die Strategie geht auf, zumindest vorerst: Am Donnerstagabend erklärte sich Erdogan unter dem massiven Druck der USA bereit, den Vormarsch seiner Truppen für die nächsten fünf Tage zu stoppen.
Die kurdischen Milizen der YPG sollen damit die Gelegenheit zum Rückzug erhalten. Kommt es zu einer dauerhaften Waffenruhe, wollen die USA ihre bereits verhängten und weitere angedrohte Sanktionen zurückziehen.
Es schien zunächst eine Mission ohne grosse Erfolgsaussichten, zu der US-Vizepräsident Mike Pence und Aussenminister Mike Pompeo nach Ankara kamen. Anfangs hatte Erdogan es strikt abgelehnt, überhaupt mit Pence und Pompeo zu sprechen. Die beiden Besucher würden von ihren Amtskollegen empfangen, sagte Erdogan dem Sender Sky News. Er selbst werde nur mit Präsident Trump sprechen.
In der Folge ruderte er zurück. Der türkische Staatschef werde nun doch mit Pence und Pompeo reden, sagte ein Sprecher. Die düsteren Mienen, mit denen Erdogan und Pence vor Beginn des Treffens vor die Reporter traten, verhiessen nichts Gutes. Statt ursprünglich angesetzter zehn Minuten dauerte das Gespräch dann fast 90 Minuten.
Weitere dreieinhalb Stunden verhandelten die Delegationen. Das war ein gutes Zeichen, wie sich am Abend herausstellte: Nach dem Ende der Verhandlungen verkündete Pence, Erdogan habe einer Waffenruhe für die nächsten 120 Stunden zugestimmt.
Die Amerikaner wollten erreichen, dass der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdogan seine am 9. Oktober gestartete Militäroperation in Nordsyrien beendet. Laut amerikanischen Delegationskreisen soll Pence Erdogan deutlich gemacht haben, dass massive Strafaktionen der USA drohen. Das bewog Erdogan offenbar zum Einlenken.
Die türkische Offensive richtet sich gegen die syrischen Kurdenmiliz YPG. Die Türkei sieht in ihr einen Ableger der verbotenen Terrororganisation PKK, will sie aus der Grenzregion vertreiben und dort eine rund 400 Kilometer lange und 35 Kilometer breite «Sicherheitszone» einrichten. Die YPG war bisher der wichtigste Verbündete der von den USA angeführten Koalition zur Bekämpfung des sogenannten «Islamischen Staats» (IS) in Syrien.
Die Befürchtungen sind gross, dass die türkische Offensive gegen die YPG zu einem Wiedererstarken der Terrormiliz in Syrien führen könnte. Ein Kommandeur der Kurdenmilizen sagte, man habe angesichts des türkischen Angriffs «alle Aktivitäten gegen den IS eingefroren». Der IS habe noch etwa 12 000 Mitglieder in der Region und sei dabei, sich vielerorts neu zu organisieren.
Wie es nach Ablauf der vereinbarten fünftägigen Waffenruhe weitergehen wird, ist ungewiss. Dass Erdogan dann erneut seine Offensive fortsetzt, ist aber unwahrscheinlich. Denn er stösst in Nordsyrien auf massive Schwierigkeiten. Die türkischen Truppen haben es nicht nur mit den Kurdenmilizen zu tun, die Widerstand leisten.
Inzwischen droht den Türken auch die direkte Konfrontation mit der syrischen Armee, die in die Grenzregion vorrückt. Der syrische Präsident Baschar al-Assad kündigte an, sein Land werde auf die «kriminelle Aggression» der Türkei «mit allen verfügbaren legitimen Mitteln antworten».