Südafrika
Die «Nashorn-Flüsterin»: So kämpft die erste Chef-Rangerin des berühmten Kruger-Nationalparks gegen Wilderer

Es dauerte mehr als 100 Jahre, bis der südafrikanische Kruger-Nationalpark in Frauenhand war. An diesem Montag nun tritt Cathy Dreyer ihren Job als oberste Parkaufseherin an. Kann sie das Abschlachten bedrohter Tiere beenden? Für junge Südafrikanerinnen ist sie jetzt schon ein Vorbild.

Markus Schönherr, Kapstadt
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Cathy Dreyer: Sie ist die erste Chef-Rangerin des Kruger-Nationalparks in Südafrika.

Cathy Dreyer: Sie ist die erste Chef-Rangerin des Kruger-Nationalparks in Südafrika.

Markus Schönherr

Sie hat etliche Vorgänger und doch ist sie die erste: Seit diesem Montag darf Cathy Dreyer sich Chef-Rangerin des weltberühmten Kruger-Nationalparks in Südafrika nennen. Als erste Frau in der 123-jährigen Geschichte des Naturschutzgebiets ist sie für den Schutz von bedrohten Tieren und Pflanzen verantwortlich. Wie schwierig die neue Aufgabe sein dürfte, verrät ein Blick auf die Landkarte: Der Kruger-Nationalpark ist in etwa so gross wie der Staat Israel.

Der Kruger Nationalpark liegt im Nord-Osten Südafrikas.

Der Kruger Nationalpark liegt im Nord-Osten Südafrikas.

chm

Man nennt sie die «Nashorn-Flüsterin». Den Beinamen erhielt Cathy Dreyer im Lauf ihrer langjährigen Karriere bei Südafrikas Nationalparkbehörde SANParks. Zunächst arbeitete sie in dessen tierärztlichen Dienst; später leitete sie das Nashorn-Schutzprogramm des Kruger-Nationalparks. Dass sie nun selbst den Corps aus Dutzenden Rangern anführt, empfindet sie als Privileg. «Es waren ein paar überwältigende Tage, nachdem ich erfahren habe, dass ich die nächste leitende Parkaufseherin werden sollte.»

Ein ständiger Kampf gegen Wilderer

Jedoch weiss Dreyer, was mit dem Schutz eines der grössten Wildschutzgebiete Afrikas auf sie zukommt: eine «herausfordernde und komplexe Aufgabe». Und nicht selten auch eine blutige: Eine rote Schleifspur im Savannengras führt Wildaufseher meist zu einem Nashorn-Kadaver. Im Gesicht klotzt eine blutige Höhle, da wo einst das mächtige Horn sass. «Die Rhino-Population des Kruger-Nationalparks schrumpfte in den letzten zehn Jahren aus mehrerlei Gründen. Die bedeutendste ist Wilderei», sagt Dreyer.

Für jedes erbeutete Horn, das später auf dem Schwarzmarkt in Asien landet, erhalten die Helfer umgerechnet bis zu 4700 Franken. 2020 töten Wilderer in Südafrika knapp 400 Rhinozerosse. Für die bedrohte Spezies ist jedes geschlachtete eines zu viel - und dennoch können Dreyer und ihre Kollegen die Zahl als Erfolg verbuchen: Vor nicht einmal sieben Jahren waren es dreimal so viele. Die 43-Jährige sagt:

«Wenn ich die Hingabe sehe, mit der dieser Kampf ausgetragen wird, glaube ich tatsächlich, dass Nashörner in Südafrika eine Zukunft haben»

Viele Beobachter begrüssen, dass im Ranger-Corps erstmalig eine Frau das Sagen hat. Denn die Gender-Debatte ging auch an den Naturschützern nicht spurlos vorüber. Manche sehen bei Rangerinnen einen grösseren Gewinn für die Gesellschaft und Entwicklung, investieren sie ihr Gehalt, statistisch gesehen, doch eher in ihre Familie als Männer.

Für Dreyer sind Geschlechterdebatten zweitrangig

Andere schreiben ihnen gar eine geringere Anfälligkeit für Korruption zu. Die erste Frau in der Position des Chef-Rangers hingegen sieht in der Debatte keinen Sinn: «Es kommt auf die Person an und nicht auf ihr Geschlecht. Denn am Ende läuft alles auf Integrität, Fairness und die Hingabe hinaus, mit der man die Aufgabe erledigt».

Dennoch hofft Dreyer, eine Inspiration für junge Südafrikanerinnen zu sein. Frauen sitzen in Südafrika schon seit langem in Führungspositionen, ob im Parlament, als Ministerinnen und Aktivistinnen, oder im Polizeidienst des Landes. Doch die Gesellschaft hinkt hinterher. Sie ist vor allem in ländlichen Regionen des Schwellenstaats immer noch patriarchalisch.

Die Zahlen vergewaltigter oder missbrauchter Frauen gehört zu den höchsten der Welt. Dreyer drängt darauf, die Emanzipation in ihrem Heimatland weiter voranzutreiben: «Ich hoffe, dass meine neue Rolle ein weiteres Mal beweist, dass niemand sich selbst Grenzen auferlegen sollte.»

Hyänen im Vorgarten und diebische Affen

Mit ihrer neuen Aufgabe steht eine weitere Lebensveränderung an, nämlich der Umzug nach Skukuza. Dabei handelt es sich um das Hauptcamp des Kruger-Nationalparks. Safari-Touristen können hier übernachten, essen und shoppen. Weil es gleichzeitig das Verwaltungscamp ist, gleicht Skukuza aber eher einer Kleinstadt - mit eigener Kirche, Polizeistation, einem Flughafen und einer Bücherei.

Wie andere Parkangestellte und deren Familien, wird auch Dreyer künftig im Angestellten-Dorf von Skukuza leben. Dort kommt es schonmal vor, dass sich eine Hyäne in den Vorgarten verirrt oder ein Affe Schülern die Pausenbrote stiehlt. «Ich war glücklich, den Kruger-Nationalpark schon früher für zweieinhalb Jahre mein Zuhause nennen zu können. Es fühlt sich an wie ein Nachhausekommen», sagt die neue Chef-Rangerin.