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Belgien hat ein 350 Jahre altes Dokument ausgegraben, das flämischen Fischern auch nach einem harten Brexit den Zugang zu britischen Gewässern sichern soll. König Charles II höchstpersönlich hatte das im Jahre 1666 so versprochen.
In den Brexit-Verhandlungen bleibt es einer der grössten Zankapfel: Der Streit um die Fischerei-Rechte. Obwohl die Branche nur ein paar hundert Millionen Euro abwirft, wird kaum über ein anderes Thema heftiger gestritten. Der Grund: Die Fischerei ist politisch aufgeladen. Als die Briten 2016 für den Austritt aus der EU stimmten, wurde ihnen versprochen, die Kontrolle über ihre Gewässer zurückzuerlangen. Auf der anderen Seite des Ärmelkanals fürchten die Fischer aber ebenso um ihre Existenz.
Keine Regierung, weder die britische noch eine europäische, will sich nun vorwerfen lassen, die hart arbeitenden Fischer unter den Bus geworfen zu haben. In Belgien sind insbesondere die Fischer aus der niederländisch sprechenden Region Flandern auf den Zugang nach Grossbritannien angewiesen. Über 50 Prozent ihres Fischs fangen sie in den reichhaltigen Gewässern. Kommt es zu keinem Brexit-Deal bis Ende Jahr, sieht es für die flämischen Fischer düster aus. Dann würde das EU-Fischereiabkommen wegfallen und die flämischen Fischer wären vom britischen Fanggebieten ausgesperrt.
Um den schlimmsten aller Fälle auszuschliessen hat sich die flämische Regionalregierung nun etwas Spezielles einfallen lassen: Sie hat ein im Jahr 1666 vom damaligen König Charles II ausgestelltes «Privileg» ausgegraben. In diesem Rechtstext heisst es, dass 50 Fischerbooten aus der flämischen Stadt Brügge auf «ewig» Zugang zu britischen Fischgründen gewährt würde. König Charles II vergab das Privileg aus Dank für die Gastfreundschaft, die er während seinem Exil in der Stadt in den Jahren 1656 bis 1659 erhielt.
«Wir haben derzeit eine Flotte von 67 Fischerbooten, also könnte dieses Privileg die Lage unserer Fischer etwas entspannten», sagt die flämische Fischereiministerin Hilde Crevits in einem Interview. Und Belgien meint es ernst: Das Schriftstück wurde kürzlich in einer Diskussion mit dem EU-Brexit-Verhandler Michel Barnier eingebracht.
Am Schluss könnte Belgien damit sogar Erfolg damit haben: Ein erste Analyse habe ergeben, dass das Privileg noch gültig sein könnte, sagte Ministerin Crevits. Eine detailliertere Prüfung finde derzeit statt. Falls auch diese positiv ausfalle werde Belgien nicht zögern, das Privileg in die Waagschale zu werfen, so Crevits gegenüber der «Financial Times».
Fakt ist: Schon einmal sorgte die Jahrhunderte alte Regelung für Schlagzeilen. Nämlich im Jahr 1963. Das war noch bevor Grossbritannien der EU beigetreten war und auch bevor es ein internationales Fischereiabkommen gab. Umgehend nach der Wiederentdeckung des Privilegs im Brügger Stadtarchiv machte sich der Lokalpolitiker Victor Depaepe auf, um sich in britischen Gewässer festnehmen zu lassen und so die Gültigkeit des Papiers zu testen. Zwar wurde er tatsächlich vor der britischen Marine in Empfang genommen. Zu einem Prozess kam es aber nie. Anscheinend fürchtete man in London, dass das Privileg von 1666 durchaus noch Gültigkeit entfalten könnte, wie aus später veröffentlichten Dokumenten hervorging.