Sigmar Gabriel macht bei der Kanzler-Kandidatur Platz für Martin Schulz. Der Kommentar.
Das wichtige Wahljahr in Deutschland beginnt mit einer Überraschung: Nicht SPD-Parteichef und Vizekanzler Sigmar Gabriel, sondern der eben erst aus Strassburg zurückgekehrte ehemalige EU-Parlaments-Präsident Martin Schulz steigt gegen Kanzlerin Angela Merkel in den Ring. Gabriels Rückzug verdient Respekt. Der 57-Jährige ist sowohl parteiintern als auch in der Bevölkerung nicht sonderlich beliebt. Die in Umfragen auf 20 Prozent geschrumpfte SPD kann aber nur einen glaubwürdigen Wahlkampf betreiben, wenn alle hinter ihrem Spitzenkandidaten stehen. Sonst wird die Partei von Merkels CDU auch im Herbst 2017 wieder abgewatscht.
Martin Schulz ist nicht der Heilsbringer der darbenden SPD. Aber sein vermeintlicher Nachteil dürfte im Wahlkampf sein grosser Vorteil sein: Nach über 20 Jahren Arbeit für die EU fehlt es Schulz an innenpolitischer Erfahrung. Genau das könnte sein Trumpf sein. Er ist in Deutschland unverbraucht und kann nicht für die Politik seiner Genossen der letzten Jahre mitverantwortlich gemacht werden. Der von der SPD-Regierung einst forcierte Ausbau des Niedriglohnsektors hat viele ehemalige SPD-Anhänger bis heute vergrault. Schulz aber steht für eine andere Politik und für Aufbruch.
Der redegewandte Schulz kann den Wahlkampf gegen die rhetorisch hölzern wirkende Merkel zumindest etwas offener gestalten. Auch wenn Merkel nun nicht in Ehrfurcht zu erstarren braucht und nach wie vor die besseren Karten hat. Doch indem Gabriel den Weg für Schulz freimacht, setzt er auch ein Signal: Die SPD will es 2017 wirklich wissen.