Die Union liegt in Umfragen klar hinter der SPD. Am Sonntagabend zeigten sich deren Kanzlerkandidaten besonders kämpferisch.
Die Begrüssungsrunde des zweiten Triells, an dem sich die Kanzlerkandidaten von SPD, Union und Grünen am Sonntagabend in der ARD gegenüberstanden, war kaum vorüber, da nahm die Debatte schon Fahrt auf. «Man sieht, wie die Dinge verdreht werden», sagte SPD-Kandidat Olaf Scholz an die Adresse seines CDU-Widersachers Armin Laschet. «Sie haben absichtlich einen falschen Eindruck erweckt, das machen Sie aus nicht guten Gründen. An Ihrer Frage merkt man, wie sehr Sie unehrlich sind.»
Es ging um die Verantwortlichkeiten von Finanzminister Olaf Scholz beim Wirecard- und CumEx-Skandal, zuletzt gab es eine Razzia in einer dem von Scholz geführten Finanzministerium angegliederten Behörde. Laschet warf dem in Umfragen deutlich führenden SPD-Kandidaten vor, seine Verantwortung nicht wahrzunehmen. «Als Finanzminister haben Sie dafür zu sorgen, dass die Aufsichtsbehörde Ihren Job macht. Wenn mein Finanzminister so arbeiten würde wie Sie, hätten wir ein ernsthaftes Problem», stichelte der nordrhein-westfälische Ministerpräsident.
Auch beim Thema Klimaschutz tauschten die Kontrahenten Vorwürfe aus: Sie warfen sich gegenseitig vor, bei wichtigen Fragen zu blockieren. Scholz sagte in Richtung Laschet: Die Union habe lange bestritten, dass für den Umbau der Wirtschaft mehr Strom nötig sei. Der CDU-Chef wiederum warf der SPD vor, bei Genehmigungsverfahren zu trödeln.
Die erste Reaktion nach Ende des Triells kam aus Bayern: CSU-Chef Markus Söder, der noch vor wenigen Tagen den Eindruck erweckte, dass er selbst nicht mehr so recht an Laschets Chancen auf das Kanzleramt glaubt, rechnet jetzt mit einem Stimmungswechsel: «Das war ein überzeugender Auftritt und klarer Punktsieg für Armin Laschet», sagte Söder. Das sei «eine Trendwende», die Rückenwind für den Schlussspurt gebe.
Das Triell selbst war mehr Duell der beiden Kandidaten mit den besten Aussichten auf das Kanzleramt. Die grüne Kandidatin Annalena Baerbock hat nur noch geringe Aussenseiterchancen, ein Sieg der Ökopartei in zwei Wochen käme einem politischen Wunder gleich. Zudem sieht Scholz wenig Anlass, Baerbock anzugehen, hat er doch schon vor Wochen verkündet, dass er am liebsten mit der Ökopartei eine Regierung bilden wolle. Und so lieferten sich Scholz und Laschet die härtesten Wortwechsel.
Die Fragesteller des öffentlich-rechtlichen Senders wollten von SPD-Kandidat Scholz wissen, ob dieser – im Falle eines Wahlsieges und dem damit verbundenen Regierungsauftrag – eine Koalition mit der Linkspartei ausschliessen würde. Scholz erteilte einer Regierung aus Grünen und der Linkspartei explizit keine Abfuhr. Allerdings betonte der Vizekanzler, dass eine von ihm geführte Regierung ein Bekenntnis zu Nato und EU aussprechen würde.
Zuvor kritisierte Laschet, dass sich der SPD-Kandidat vor einer klaren Absage an die Linke winde. Er warf Scholz Unredlichkeit vor. «Sie haben die Frage schon beantwortet: Sie schliessen das (Anmerkung: ein Bündnis mit der Linkspartei) nicht aus.» Die Folge einer solchen Politik seien Steuererhöhungen.
Dass die beiden Spitzenkandidaten Scholz und Laschet auf Konfrontationskurs waren, überraschte nicht. Schon seit Samstag gingen die Wogen zwischen der SPD und der Union hoch. Beim Parteitag der CSU hielt Kanzlerkandidat Armin Laschet (CDU) am Samstag eine Rede, in der er vor einem Politikwechsel und einem möglichen Bündnis von SPD, Grünen und der Linkspartei nach der Bundestagswahl warnte.
«In all den Entscheidungen der Nachkriegsgeschichte standen Sozialdemokraten immer auf der falschen Seite»,
fuhr Laschet wenig später fort, machte eine kurze Pause und sagte dann: «In der Wirtschafts- und Finanzpolitik.»
Bei der Union dürften viele gerne sehen, dass ihr Spitzenkandidat nun in den Angriffsmodus wechselt. Denn die Umfragewerte sehen die Union weit hinter der SPD (26 Prozent) mit etwa 20 Prozent auf dem zweiten Rang. Es ist allerdings fraglich, ob Laschet mit diesem Auftritt nicht eher das Lager der konkurrierenden Sozialdemokraten für den Wahlkampf-Endspurt mobilisieren wird.