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Für die Ermittler bieten Smartphone und soziale Medien neue Möglichkeiten. Diese haben allerdings auch ihre Tücken.
Im Smartphone-Zeitalter muss es doch ein Bild des Täters geben. Irgendjemand wird ihn doch, vielleicht bloss aus Zufall, fotografiert oder gefilmt haben. Oder aber es befindet sich auf dem Handy eines Weihnachtsmarkt-Besuchers zumindest ein Bild, das wichtige Ermittlungshinweise enthält.
Die Polizei sammelt deshalb alle Fotos und Videos, die während des Anschlags oder kurz danach am Breitschneidplatz gemacht wurden. Dazu hat sie ein Portal eingerichtet, über das die Bilddokumente hochgeladen werden können.
Dieselbe Methode wendete das FBI zur Aufklärung des Bombenattentats auf den Boston Marathon 2013 erfolgreich an. Anfänglich überforderte die schiere Menge an Daten aber die Ermittler und deren IT-System. Innerhalb von 24 Stunden wurden 12 500 Dokumente hochgeladen; aufgrund des hohen Andrangs stürzten die Computer erst einmal ab. Die Probleme konnten aber schnell behoben werden.
«Ein solches Portal ist eine sehr gute Möglichkeit, um an wichtige Informationen zur Täterschaft zu gelangen», findet auch Georg Prüfling, Kriminalhauptkommissar in Bonn und Lehrbeauftragter für Kriminalistik. Die Suche nach tatrelevanten Informationen im Datenwulst sei aber auch mit sehr viel Arbeit verbunden.
Smartphone und soziale Medien haben die Zusammenarbeit der Ermittler mit den Bürgern grundlegend verändert. Früher sei die Polizei vor allem mit konkreten Fragen an die Bürger getreten (Wer hat einen verdächtigen Mann an jener Kreuzung gesehen?). Heute kämen die Informationen der Bevölkerung quasi von selbst, sagt Prüfling. Man habe viel mehr Informationen, diese seien aber qualitativ oft weniger gut. Es geht darum, die berühmte Nadel im Heuhaufen zu finden.
Doch auch die Handydaten sind für die Ermittler von Wert. Das Smartphone kommuniziert ständig mit den Antennen in der Umgebung, so lässt sich ein Bewegungsprofil des Nutzers erstellen. Die Provider speichern dieses zusammen mit anderen sogenannten Randdaten. Dazu gehört auch, mit wem wie lange telefoniert wurde und an wen jemand ein SMS verschickt hat.
Im Vierfachmord von Rupperswil ist die Polizei durch die Analyse solcher Daten dem Täter auf die Spur gekommen. «Ich bin überzeugt, dass die Ermittler nun auch Handydaten auswerten, um Hinweise über den oder die Täter von Berlin zu erlangen», sagt Prüfling.
Immer häufiger wird heute aber nicht mehr über das Telefonnetz kommuniziert, sondern über das Internet. Bei Fahndungen können soziale Netze wie Facebook und Twitter der Polizei zum entscheidenden Durchbruch verhelfen. Wenn es aber um die Prävention von Verbrechen geht oder um das Überwachen von Personen, dann sind die Möglichkeiten der Polizei häufig stark limitiert. Denn anders als bei den Handydaten sind Ermittler im Netz auf eine Zusammenarbeit mit den Betreibern der jeweiligen Websites angewiesen.
Wollen sie beispielsweise die Chatverläufe eines Facebook-Nutzers einsehen, müssen sie zuerst ein Gesuch an den Online-Konzern stellen. Und wie die «Schweiz am Sonntag» vergangene Woche berichtete, werden diese Anfragen bei Facebook in zwei Drittel aller Fälle abgelehnt. Für die Dienste-Anbieter ist es stets eine Gratwanderung zwischen der Verletzung des Datenschutzes und dem Behindern von polizeilichen Ermittlungen.
Welche Rolle die digitalen Spuren, die Fotos und Videos bei der Aufklärung des Attentats in Berlin einnehmen werden, das wird sich erst noch zeigen.
Nicht nur im digitalen Bereich hat die Forensik in den vergangenen Jahren aufgerüstet, sondern auch bei der Spurensuche am Tatort. So wird längst nicht nur nach Fingerabdrücken gesucht, sondern auch nach DNA-Molekülen. Solche muss der Täter im Lastwagen fast mit Sicherheit hinterlassen haben. Selbst wenn er Handschuhe getragen hat. «Man scheidet sie auch über den Speichel beim Atmen aus», erklärt Prüfling.
Hat man eine DNA-Probe, kann diese mit einer Datenbank abgeglichen werden. Nun weiss die Polizei, ob der Täter eine kriminelle Vergangenheit hat. Technisch wäre es sogar möglich, einzig aufgrund einer DNA-Spur die Haar- und Augenfarbe eines Täters zu bestimmen. Doch rechtlich ist das in Deutschland nicht erlaubt.