Der Baselbieter Fotograf Theodor Strübin (1908–1988) hat den 6. Dezember vor 70 Jahren in eindrucksvollen Kontrasten festgehalten. Eine Ausstellung im Spielzeug Welten Museum ist ebenfalls dem vorweihnachtlichen Gabenbringer gewidmet.
Zuckerbrot oder Rute – beim beliebtesten Volksheiligen kann man sich nie sicher sein. Gutmütig und streng, falsch und echt – das Verwirrspiel um den Santichlaus hat Tradition, wie «Vom heiligen Nikolaus zum Santa Claus» verdeutlicht. Schnell wie eine Schlittenfahrt ist die aktuelle Weihnachtsausstellung im Spielzeug Welten Museum Basel vorbei – man würde gerne mehr sehen. Die einzelnen Stationen zeigen bündig, wie aus einem geistlichen Würdenträger der Werbeträger in kanonischem Rot-Weiss wurde – den USA sei's verdankt. Denn natürlich steckt hinter der Wandelbarkeit des Heiligen auch eine Migrationsgeschichte.
In der Gestalt des wundertätigen und kinderlieben Bischofs aus der heutigen Türkei verschmelzen gleich zwei historisch verbürgte Figuren, über Italien fand die Nikolaus-Verehrung den Weg zu uns. Im 16. Jahrhundert bekommt der Nikolaus Konkurrenz durch das protestantische Christkind, 1820 erklären die Brüder Grimm den noch diffusen «Weihnachtsmann» zum «merkwürdig geschichtslosen Wort». Und in der Region Basel begegnet uns der «Niggi-Näggi» als Doppelgänger: als heller «katholischer» Bischof und als dunkler «reformierter» Santichlaus. Vom «Schmutzli», seinem dämonischen Handlanger, ganz zu schweigen.
Im Umgang mit Licht und Schatten geübt, hielt der Liestaler Fotograf Theodor Strübin (1908–1988) den 6. Dezember vor 70 Jahren atemberaubend kontrastreich fest, während der – nicht mit dem Fotografen verwandte – Volkskundler Eduard Strübin (1914–2000) die Identität des Gabenbringers noch weiter kompliziert. Kamen um die vorvergangene Jahrhundertwende ehrwürdige Männer im Bischofsornat in die besseren Liestaler Stuben, besuchte die Therwiler der Chnächt des Weihnachtskindes, während in Arlesheim ein kettenrasselnder und schwarzer Unhold sein Unwesen trieb. Und in Titterten hüllten sich die Buben gleich selbst in Säcke, um kleinere Kinder zu erschrecken.
Für die Widersprüchlichkeit der verschiedenen Erscheinungsformen hat der Volkskundler eine einfache Erklärung: «Der finstere Mann hatte mit dem Heiligen höchstens den Namen gemein, ja selbst da, wo er als Bischof sich zeigte, schaute ‹der alte Heide› hervor.» Gemeint sind damit Lärm- und Schreckgestalten, wie sie besonders zu Winterbeginn häufig auftreten. Als besonders «heilig» sei der 6. Dezember nie empfunden worden, schreibt Strübin, «Unruhe erfüllte die Zeit vor dem Nikolaustag».
Mit Hörnern, Peitschen, Pistolenschüssen und Glocken wurden und werden Anfang Dezember Lärmumzüge veranstaltet, die oft nach dem heiligen Nikolaus benannt sind. Auch beim Liestaler «Santichlaus-Ylütte» handle es sich ursprünglich um einen solchen Brauch, so Strübin. «Am späten Nachmittag rotteten sich da und dort im Stedtli Buben zusammen, bei Bauern hatten sie möglichst grosse Kuhglocken und Rossgschäll requiriert.» Erst seit dem Zweiten Weltkrieg führt der Namensgeber den Zug persönlich an – auf Betreiben der Erwachsenen.
Als Herkunftsort des Santichlaus galt schon früh der Schwarzwald, daneben gab es auch Ortsspezifisches wie die Fuchshöhli in Anwil oder die Wasserfalle in Reigoldswil. Gegen den schwarzen Pädagogen setzte sich im Laufe des 20. Jahrhunderts der «katholische» St.Nikolaus als «Abglanz göttlicher Vatergüte» durch – was Frauen nicht davon abhielt, die Hosenrolle zu übernehmen: «Jedes Jahr erschien bei uns d Schnauzbusere als grosser, respektgebietender Santichlaus und leerte einen Sack Nüsse auf den Stubenboden», heisst es etwa aus Sissach.
Der Klausenbart mag aus Watte sein, seine Wirkung verfehlt er trotzdem nicht.
«Vom heiligen Nikolaus zum Santa Claus», Spielzeug Welten Museum Basel, bis 13. Februar. Besuch vom Santichlaus: Montag, 6. Dezember, 13–17 Uhr. Mehr Fotografien von Theodor Strübin im Kulturgüterkatalog des Museumverbunds Baselland: www.kimweb.ch.