Mit dem Jubiläum der Basler Schnitzelbangg-Gesellschaft wird nun auch ein Stück Fasnachts-Historie festgehalten.
Der Ruf der Bänggler war 1920 bereits etwas besser als noch um 1900, als es raue und wilde Burschen waren, die meist in Berufskleidern – Gärtner, Schmiede – und ohne Larven verschiedene Restaurants besuchten. Die Verse und Helgen waren in der Thematik noch begrenzt, die drei beliebtesten Sujets sollen «saufen, kotzen und an der Sauglogge ziehen» gewesen sein. So überliefern es Zeitgenossen, die zu jener Zeit das Vergnügen eines Bänggler-Abends hatten. Doch vieles liegt im Vagen. So etwa die Gründe, warum sich 1920 im Restaurant Rebstock acht Schnitzelbänke zusammenfanden und die «Freie Schnitzelbank-Gesellschaft» (ab 1936 «Basler Schnitzelbangg-Gesellschaft», kurz: BSG) gründeten. Sie verliessen die damals einzige existierende Gesellschaft: die noch ältere «Verainigty Schnitzelbangg-Gsellschaft» (VSG).
Gestützt auf mündliche Überlieferungen des 1901 geborenen BSG-Ehrenmitgliedes Otti Buser führte aber auch eine politische Spaltung zwischen Bürgerlichen und der Arbeiterbewegung zur Neugründung. Die neue Gemeinschaft soll vor allem aus Chemiearbeitern, Statussportlern und Leuten aus Arbeitergesangsvereinen bestanden haben. Die Bürgerlichen gründeten im Jahr darauf das Schnitzelbank-Comité, die dritte Gesellschaft.
Das sorgte für Aufmerksamkeit. Die Zeitungen begannen vermehrt über die Schnitzelbängg zu schreiben, doch das Verhältnis zu den Medien blieb während der gesamten BSG-Geschichte immer etwas angespannt. In den vergangenen Jahrzehnten hielt sich zum Beispiel hartnäckig das Gerücht, dass das Schweizer Fernsehen die BSG gegenüber den Comité-Bängg vernachlässigen soll.
Diverse Exponenten überlegten sich, die Restaurants auszulassen, in denen das SRF aufzeichnete. Es gab auch Briefwechsel mit dem zuständigen Produzenten, der solche Abmachungen in Abrede stellte. Bezeichnend ist dennoch, dass in den letzten Jahrzehnten neben dem ikonischen «Schorsch» wenige BSG-Bängg regelmässig im Fernsehen zu sehen waren. «Dr Schorsch vom Haafebeggi zwai» ist, obwohl er nicht mehr singt, daher auch heute noch einer der bekanntesten BSG-Bängg.
Dieser «Schorsch», der im Zivilen Heinrich Glauser heisst, ist immer zur BSG gestanden und hat in einer der grössten Krisen, kurz vor dem 75-jährigen Jubiläum, das Ruder selbst übernommen. Zehn Bängg hatten damals der BSG den Rücken gekehrt und gründeten die «Bebbi-Bängg». Glauser und seinem Vorstand gelang es, die Gesellschaft nach der Krise wieder auf die Beine zu stellen. Dass es solche Dachorganisationen gibt, ist für die einzelnen Bängg überlebenswichtig: Zusammen können sie bei Verhandlungen mehr Druck auf die Wirte ausüben, in deren Lokalen sie ihre Bänke vortragen.
In den ersten Jahrzehnten sangen die Bängg noch in bis zu 120 Restaurants. Zu Beginn der 1950er-Jahre wurde die Zahl auf rund 100 Auftritte gesenkt. Der Routenplan der Fasnacht 1970 gab 32 Lokale im Klein- und 22 im Grossbasel vor. Dabei waren aber auch viele Restaurants in den Quartieren, wie der Burgfelderhof, der Landskrongarten oder Lokale in Kleinhünigen. Damit die Bängg schnell vorankamen, wurde ein Taxidienst eingerichtet.
Heute undenkbar, hatte die BSG bis in die 1960er-Jahre mit der Zensur zu kämpfen. Die Gesellschaft war politisch nicht zu verorten und daher mussten alle Bängg ihre Verse beim damaligen Polizeidepartement einreichen. Passte einer nicht, wurde er mit einem «Gift»-Kleber versehen und durfte nicht gesungen werden. Einer dieser zensierten Verse lautete:
In China isch dr gääli Fluss wyt iber d’Ufer gflosse,
Millione Mensche sinn drby eeländiglich versoffe,
was mainsch wär’s nid e grächti Sach,
wenn au in Ditschland sone Bach,
mit syne Wassermasse,
versyffe dät dye ganzi Rasse.
Angesprochen wurde damit vermutlich die politische Führung unter Adolf Hitler. In welchem Jahr dieser Vers gesungen wurde, ist nicht überliefert. Jedoch soll der deutsche Gesandte in Basel auf höchster Ebene, beim Bundesrat, interveniert haben. Für eine flächendeckende Zensur sei es aber zu spät gewesen.
«Jeder hilft jedem», beschreibt Präsident Daniel Flury die heutige BSG. So werden die Verse gegenseitig gezeigt und beim Vorsingen Tipps abgegeben. Die BSG investiert sehr viel in die Ausbildung der Bängg. Viele gute Sänger stammen aus der «BSG-Schule», auch wenn einige von ihnen mittlerweile die Gesellschaft gewechselt haben.
Gefeiert werden die 100 Jahre im Sommer mit einem grossen Anlass, zu dem auch eine Festschrift erscheinen wird. Das Glas auf die BSG kann man aber jetzt schon heben: mit einem eigens für das Jubiläum gebrauten «Bänggler-Eel», einem naturtrüben Bier. An der Fasnacht werden alle Bängg mit «etwas Goldenem» auftreten und goldene Zeedel verteilen.