Strafgericht
Richter schicken den Synthes-Erpresser zum Psychiater

Ein 42-jähriger Kaderangestellter wollte von der Firma Synthes mit internen Dokumenten 2,4 Millionen Franken erpressen. Statt einer ausgehandelten Bewährungsstrafe ordnete das Gericht nun ein psychiatrisches Gutachten an.

Patrick Rudin
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Der Angeklagte wollte von Synthes 2,4 Millionen Franken erpressen.

Der Angeklagte wollte von Synthes 2,4 Millionen Franken erpressen.

Keystone

24 Monate auf Bewährung für einige Betrügereien und eine versuchte Erpressung lautete der für den Angeklagten relativ milde Deal, den er schon vor dem Gerichtstermin ausgehandelt hatte. Doch das Strafgericht in Liestal wollte dazu am Dienstag seinen Segen nicht geben: Ein psychiatrisches Gutachten soll zuerst abklären, ob er wirklich vermindert schuldfähig ist.

Er wollte 2,4 Millionen Franken

Der Mann war früher Kaderangestellter von Synthes und versuchte im Mai 2007, von der Baselbieter Medizintechnik-Firma 2,4 Millionen Franken zu erpressen. Konkret schickte er eine anonyme E-Mail an den Firmenchef und behauptete darin, die Konkurrenz sei dabei, vertrauliche Daten der Synthes zu kaufen. Er bot Synthes an, er werde diese Daten zurückstehlen, allerdings dürfe die Polizei nicht eingeschaltet werden. Als Zeichen, dass Synthes in die Operation einwillige, solle sie die Flaggen vor dem Firmensitz im solothurnischen Selzach an einem bestimmten Tag entfernen. Die 2,4 Millionen Franken sollten später in Tausendernoten übergeben werden.

Freundliche Konkurrenz

Synthes reagierte nicht. So schickte der Angeklagte Dokumente und eine CD mit Daten an die Konkurrenzfirma Stryker. Diese war darüber jedoch gar nicht erfreut und übergab das Paket nach wenigen Tagen Synthes. Spezialisten konnten den Mann schliesslich identifizieren - er sass nach seiner Festnahme im August 2007 für eine Woche in Untersuchungshaft.

Gedroht hatte der Mann zusätzlich mit Rufschädigung. Offenbar plante Synthes damals die Markteinführung einer Prothese, deren Ermüdungsgrad durch leichteres Material 15 Prozent tiefer lag. Interne Studien sahen Chancen für den japanischen Markt, weil dort kürzere Arme und tieferes Körpergewicht üblich sind.

Der Erpresser drohte damit, die Dokumente unter dem Motto «zweitklassige Produkte für Asiaten» japanischen Chirurgen zuzuspielen. Weitere vertrauliche Firmendokumente betrafen Details über künftige Implantate und Instrumente zur chirurgischen Versorgung von Frakturen, Missbildungen und Tumorerkrankungen.

Eher durch Zufall kamen nach der Festnahme auch noch frühere Delikte des Mannes ans Tageslicht: Bei Johnson & Johnson visierte er jahrelang fingierte Rechnungen und zweigte so über 900 000 Franken ab. Misstrauisch wurde einzig seine Bank, da nur er Gelder bezog; das Konto hingegen lautete auf den Namen einer Ungarin. Nach der Sperrung durch die Bank überredete er eine Prostituierte in Lausanne, ein Konto für den Geldempfang zu eröffnen - so flossen weitere 40 000 Franken. Erst als er einen Cousin zur Mitarbeit überreden wollte, ging dieser zur Firmenleitung. Die Sache wurde stillschweigend intern geregelt.

Manisch oder egoistisch?

Im Jahr 2005 log der Mann gar einem Geschäftspartner vor, er brauche dringend 60 000 Franken für die Operation der schwerkranken Schwiegermutter in Brasilien. Am nächsten Tag erhielt er das Geld in bar. Dieses Geld ging hauptsächlich an Prostituierte, denen er damit angeblich den Ausstieg ermöglichen wollte. Der Angeklagte leidet an einer manisch-depressiven Störung und nimmt heute Medikamente. Er habe selbst keine Vorteile durch das Geld gehabt, meinte er gestern. Auch die vielen Reisen nach Brasilien seien «kein Urlaub» gewesen. Er räumte aber ein, dass er nebst «den sexuellen Dienstleistungen» auch einen psychologischen Vorteil für sich hatte, da er anderen habe helfen können.

Per Abmachung mit dem Staatsanwalt hatte er eine Bewährungsstrafe von 24 Monaten ausgehandelt. Dabei fiel vor allem eine Strafmilderung wegen einer mittelgradig verminderten Schuldfähigkeit ins Gewicht.

Wieder in leitender Position tätig

Doch das Dreiergericht unter dem Präsidium von Andreas Schröder lehnte den Deal gestern ab und ordnete an, den Mann psychiatrisch genau zu untersuchen. «Insgesamt erscheint uns die beantragte Sanktion als zu milde, sei denn, die Schuldfähigkeit war tatsächlich im mittleren Ausmass vermindert.»

Bislang existiert lediglich die Diagnose eines Therapeuten. Dieser hatte den Angeklagten auch als «Robin Hood der Prostituierten» bezeichnet. «Wir haben Zweifel, ob der Angeklagte tatsächlich über Monate in einer manischen Phase war», so Spindler. Das Verfahren wird in einigen Monaten wieder aufgenommen, wenn das Gutachten vorliegt. Der Mann arbeitet inzwischen wieder in einer leitenden Position.