Das Baselbieter Strafgericht in Muttenz verhandelt diese Woche über einen 58-jährigen Mann aus Pratteln, dem Drogenhandel im grossen Stil vorgeworfen wird. Der Mann gibt einzelne Punkte zu, sieht sich aber als kleinen Fisch.
So richtig passt der 58-jährige Mann nicht ins Bild: Er war in der Türkei Teil der sozialdemokratischen Opposition und sass dort auch im Gefängnis, seit 1985 lebt er in der Schweiz. Nach Bewachungsaufgaben arbeitete er gar in Bern beim Roten Kreuz und kümmerte sich um Folteropfer. Seit einigen Jahren bezieht er eine Invalidenrente, bis zu seiner Verhaftung lebte er in Pratteln.
Die Baselbieter Staatsanwaltschaft hingegen sieht ihn als Drahtzieher eines riesigen Drogenkartells: Sie hat ihn wegen gewerbsmässigen Handels von insgesamt rund 2,4 Tonnen Marihuana in den Jahren 2011 bis 2015 angeklagt. Die Ermittler rechneten aus, dass er damit einen Umsatz von rund 16 Millionen Franken erzielt und einen Gewinn von mindestens 3,7 Millionen Franken eingefahren habe.
Zusätzlich geht die Staatsanwaltschaft von Geldwäscherei aus, etwa das Wechseln von deliktischem Schweizer Drogengeld in Euro zur Bezahlung der Lieferanten in den Niederlanden wird rechtlich entsprechend eingestuft. Nebst dem Import soll der Mann für den Vertrieb an viele Zwischenhändler verantwortlich gewesen sein, abgesehen von der Region Nordwestschweiz gingen regelmässig Lieferungen auch in Richtung Fribourg und Genf.
Zum Verhandlungsauftakt am Montag am Baselbieter Strafgericht in Muttenz beantwortete der Mann die Fragen zu seiner Person, wollte aber zu den konkreten Vorwürfen lediglich eine Erklärung verlesen: Ja, er habe ein paar Marihuana-Pakete entgegengenommen, er habe einem Freund aushelfen wollen. Ansonsten würden die Vorwürfe nicht zutreffen.
Die Ermittlungen waren aufwendig: Mithilfe von IMSI-Catchern lokalisierte man nicht nur die verwendeten Mobiltelefone des Mannes, sondern kam auch weiteren Nummern auf die Spur, die er faktisch parallel verwendete. Wie bei Drogendelikten üblich, basiert praktisch die gesamte Beweiskette auf abgehörten Telefongesprächen. Verteidiger Alain Joset beschäftigte daher die fünf Richter am Montagmorgen in erster Linie mit seinen Anträgen, diverse Beweise wegen Verfahrensfehler und formellen Mängeln aus den Verfahrensakten zu tilgen.
Erfolgreich war er damit nicht, und auch abgetrennte Verfahren von anderen Angeschuldigten seien nicht zu beanstanden, befand das Gericht: Zwei andere Täter hatten durch ihr Geständnis in einem abgekürzten Verfahren mit der Baselbieter Staatsanwaltschaft einen «Deal» abgeschlossen und so eine Strafmilderung erhalten. Weitere Männer aus dem Umfeld des Angeschuldigten wurden bereits im Kanton Fribourg sowie in Deutschland rechtskräftig verurteilt.
Der Mann sitzt seit Juni 2015 im Gefängnis und hat inzwischen in den vorzeitigen Vollzug gewechselt. Bei seiner Verhaftung beschlagnahmte man Bargeld von rund 450 000 Franken. Er deutete dazu lediglich an, das Geld stamme aus einem Investment in England. Das Marihuana wurde jeweils in Kisten geliefert, dazu wurden Drogendepots etwa in Liestal, Füllinsdorf und Reinach unterhalten. Fragen wirft auch ein Waffendepot in Itingen auf: Dort fand man nebst Schlagringen und Munition auch Elektroschockgeräte sowie eine vollautomatische Maschinenpistole. All diese Dinge habe er für einen Bekannten bloss aufbewahrt, so die Version des Angeklagten.
Staatsanwalt Urs Geier wird erst am Dienstag im Plädoyer einen konkreten Strafantrag stellen. Da der Prozess einer Kammer mit fünf Richtern zugeteilt wurde, ist aber davon auszugehen, dass er eine Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren beantragen wird. Das Urteil fällt nächste Woche.