Strafgericht
Nach zwei Unfällen mit gestohlenen Fahrzeugen: Ehemaliger Kampfsporttrainer steht vor Gericht

Der 46-jährige Lenker vom Unfall bei der Grosspeter-Kreuzung flüchtete drei Wochen später nochmals vor der Polizei – und verunfallte erneut.

Patrick Rudin
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Bei der Grosspeter-Kreuzung kam es nach einer Verfolgungsjagd des Angeklagten mit der Grenzwache zu einem heftigen Unfall.

Bei der Grosspeter-Kreuzung kam es nach einer Verfolgungsjagd des Angeklagten mit der Grenzwache zu einem heftigen Unfall.

bz

«Ich habe Panik und Herzrasen bekommen», erklärte der 46-jährige Mann am Montag im Basler Strafgericht. «Wohin wollten Sie denn?», fragte Gerichtspräsidentin Susanne Nese. «Auf die Gasse», antwortete er etwas hilflos.

Er sorgte im September 2021 für Schlagzeilen: Mit einem gestohlenen BMW war er in der Basler Sevogelstrasse unterwegs, beim Rotlicht am Denkmal hielt er hinter einem Lieferwagen. Bereits seit längerer Zeit verfolgte ein Zivilfahrzeug des Zolls den Mann, beim Halt wollten die Grenzwächter ihn kontrollieren. Daraufhin scherte er rechts aus, fuhr übers Trottoir und raste danach links über die Tramtrasse in Richtung Grosspeter-Kreuzung.

Dort kam es dann zum grossen Knall: Mit mehr als Tempo 60 fuhr er bei Rot auf die Kreuzung, erwischte ein anderes Auto, überschlug sich, traf eine Velofahrerin und beschädigte noch ein weiteres Auto. Mehrere Personen wurden verletzt, die Velofahrerin kann nach einem Spital- und Rehaaufenthalt inzwischen zumindest wieder gehen.

Mit Vollgas durch die Müllheimerstrasse

Der 46-Jährige sass danach einen Tag in Untersuchungshaft. Drei Wochen später war er beim Basler Horburgpark erneut unterwegs, diesmal mit einem geklauten Dacia. Als er der Polizei auffiel und diese ihn stoppen wollte, donnerte er mit Vollgas durch die Müllheimerstrasse und via Dreirosenbrücke ins Grossbasel. Die Flucht endete schliesslich in einer Mauer beim Kreisel Flughafenstrasse/Luzernerring. Seither sitzt der Mann wegen Wiederholungsgefahr in Haft. Einen Fahrausweis konnte man ihm nicht mehr abnehmen, dies hatte man bereits im Jahr 1998 auf unbestimmte Zeit getan.

Der Mann arbeitete bis Anfang 2020 als Kampfsporttrainer, verlor dann aber wegen des Lockdowns sein Einkommen. Auf Instagram präsentiert er sich als kinderloser Single, vor Gericht sagte er hingegen, seine Ehefrau weile derzeit mit den drei gemeinsamen Kindern auf den Philippinen. Er ist hoch verschuldet.

Bei den Unfällen und diversen weiteren Diebstahldelikten war meist Heroin und Kokain im Spiel, der 46-Jährige behauptete allerdings, vor 2020 habe er keine Drogen angerührt. Die gestohlenen Autos betankte er mit einer gestohlenen Kreditkarte. Der Autoklau war simpel: Der BMW etwa stand offen im Stücki-Parking, der Schlüssel lag im Auto. Der Angeklagte beteuerte vor Gericht, er habe niemanden verletzen wollten.

«Ohne Gewissen und ohne Hirn»

Staatsanwalt Roman Barth hingegen meinte, wer so fahre, nehme dies in Kauf, der Mann habe auch mehrere Rotlichter missachtet und sei durch Quartierstrassen gerast. «Er handelte ohne Gewissen und ohne Hirn. Es gab zwei krasse Vorfälle im Strassenverkehr innert weniger Wochen. Offenbar war er vom ersten Unfall völlig unbeeindruckt», so Barth. Er forderte eine Verurteilung wegen eventualvorsätzlicher Körperverletzung, insgesamt sei ein Strafmass von 3,5 Jahren angemessen.

Verteidiger Moritz Gall hingegen betone, die Abgrenzung zwischen Eventualvorsatz und Fahrlässigkeit sei unglaublich schwierig. «Hätte er sich Gedanken machen sollen? In einer optimalen Welt, sicher. Hat er sich die Gedanken gemacht? Wohl eher nicht». Sein Mandant sei in einer Schocksituation gewesen. «Der Staatsanwalt beschrieb das Handeln als ‹ohne Hirn›. Das trifft wohl zu. Aber wenn er ohne Hirn handelt, dann kann man ihm auch keinen Eventualvorsatz unterstellen», argumentierte Gall. Vor dem Jahr 2020 sei sein Mandant strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten, und durch den Lockdown sei er in eine veritable Lebenskrise gerutscht. Das Urteil wird am Dienstag gefällt.