Was ein geklauter Birnbaum mit der Abstimmung über das neue Freizeitgartengesetz hat.
Er hatte tapfer gekämpft, der kleine Birnbaum. Er war eine unserer ersten Anschaffungen, nachdem wir vor 2010 einen Freizeitgarten auf dem Bruderholz übernommen hatten.
Wir waren extra aufs Land – und ich meine wirklich Land – gefahren, um ein gutes Exemplar zu finden. Keine Massenware aus dem Heimwerkersupermarkt.
Das erste Jahr war hart. Mehrfach serbelte der frisch Gepflanzte fast ab. Doch irgendwie kriegte er die Kurve. Bereits waren die ersten kleinen Birnen zu sehen, als er dann eines schönen Sommermorgens einfach weg war. Zuerst ist es uns gar nicht aufgefallen. Der Dieb hatte nicht nur den angewachsenen Baum ausgegraben und eingepackt. Er machte sich sogar noch die Mühe, das entstandene Loch aufzufüllen und mit Gras abzudecken.
Ob es ein anderer Pächter auf dem grossen Areal war oder ob kurzerhand jemand über den Gartenzaun geklettert ist, konnte nie geklärt werden. Auch bei den Zucchini und Kürbissen, die gelegentlich verschwinden, nicht. Unsere 200 Quadratmeter liegen am Rand des Areals. Gleich daneben führt ein öffentlicher Fussgängerweg durch Gärten – die vorsichtige Öffnung, welche die Stadtgärtnerei plant, ist hier längst geschehen. Die Bedenken der Pächterinnen und Pächter vor Diebstahl und Littering, welche die Gegner des revidierten Familiengartengesetzes äussern, kann ich gut nachvollziehen.
Auch die Angst, dass der eigene Garten bald neuen Wohnüberbauungen weichen muss, ist auf dem Areal immer wieder ein Thema. Gerne schielen Stadtplaner auf die unbebauten Flächen. Es ist der Verdienst der SVP und der Basta, dass hier der Finger in die Wunde gelegt wird. Ob und wie andererseits Pläne wie die Öffnung der Gärten, das Zugänglichmachen von Vereinsbeizen und Spielplätzen oder die Schaffung von Gemeinschaftsgärten in der Praxis funktionieren oder kaum sind als schöngeistige Ideen aus der Verwaltung, wird sich zeigen müssen.
Trotz all dieser Vorbehalte dürften sich die Freizeitgärtnerinnen und -gärtner nicht vor Ideen, wie die Freizeitgartenareale künftig aussehen könnten, verschliessen. Oder, um es mit der kantonalen Familiengartenordnung zu formulieren, die jeder Neupächter in einem Einführungskurs eingetrichtert bekommt: Betonieren ist verboten.
Dass ein stures Festhalten am Status quo keinen Sinn macht, zeigte 2011 die Abstimmung über die Initiative zum Schutz von Basler Familiengartenarealen. Zwei Drittel lehnten die Forderung, den Status quo einzufrieren. Angenommen wurde ein Kompromiss, für den rund 300 Gärten gestrichen wurden. Wer sich jetzt hinter dem Gartenzaun verbarrikadiert, läuft Gefahr, dass seine Anliegen künftig nicht mehr gehört werden.
In den vergangenen Jahren ist der Nutzungsdruck auf Freiräume im Kanton deutlich gestiegen. Gleichzeitig macht die Klimakrise immer deutlicher, wie wichtig Grünflächen und Biodiversität gerade auch im urbanen Raum sind. Und mit der Pandemie ist auch die Nachfrage nach Freizeitgärten deutlich gestiegen. Hier einen Kompromiss zu finden zwischen der Privatsphäre der Gärtnerinnen und Gärtner und der berechtigten Frage, wie mit dem öffentlichen Grund zu verfahren sei, ist nicht einfach und auch nach der Abstimmung längst noch nicht ausdiskutiert.
Bei der vorliegenden Revision aber darf man Bau- und Verkehrsdirektorin Esther Keller glauben, wenn sie von einer «sanften Weiterentwicklung» spricht. Man muss sie aber auch beim Wort nehmen.
PS: Familiengartenintern ist meine Meinung übrigens nicht unumstritten.
PPS: Mittlerweile steht am gleichen Platz wieder ein Birnbaum. Dieser hat die Trockenheit der vergangenen Monate allerdings nur knapp überlebt. Aber das ist eine andere Geschichte.