Verwaltungsrat
Die fragwürdige Honorar-Praxis der Verwaltungsrats-Profis

Einige illustre Verwaltungsräte von öffentlich-rechtlichen Unternehmen werden als juristische Personen entschädigt. Das ist umstritten.

Jonas Hoskyn
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Paul Blumenthal (Ex-BVB), Ueli Vischer (Universitätsrat und MCH Group), André Dosé (BLT) und Benedikt Weibel (Rheinhäfen).

Paul Blumenthal (Ex-BVB), Ueli Vischer (Universitätsrat und MCH Group), André Dosé (BLT) und Benedikt Weibel (Rheinhäfen).

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Im Grunde ist die Sache klar: Im Verwaltungsrat einer Firma sitzen Personen, die durch ihre Qualifikation geeignet sind, wichtige strategische Entscheide im Sinne der Firma zu treffen. Die Betonung liegt dabei auf dem Begriff «Person». Denn in mehreren Verwaltungsräten von öffentlich-rechtlichen Anstalten in der Region sitzen streng genommen Firmen, meist sogar an der Spitze.

Konkret gehts um die Abrechnung der Honorare. Der Grossteil der Verwaltungsräte wird als natürliche Personen entschädigt. Doch eine Handvoll stellt Rechnungen als juristische Personen, also als Firma. Der bisher einzige öffentlich bekannte Fall ist jener von Paul Blumenthal, bis vor kurzem Verwaltungsratspräsident der Basler Verkehrsbetriebe (BVB). Bei Blumenthal schritt das kantonale Bau- und Verkehrsdepartement ein und untersagte die Praxis. Als dies bekannt wurde, entbrannte eine politische Diskussion.

Empfehlung: Praxis stoppen

Recherchen der «Schweiz am Wochenende» zeigen nun: Die Variante, Mandate als Firma abzurechnen, wird vor allem von denjenigen betrieben, die ihr berufliches Einkommen grossteils als Berater oder Experten verdienen. Darunter sind prominente Namen wie etwa der ehemalige Basler Finanzdirektor und Wirtschaftsanwalt Ueli Vischer. Er ist Präsident des Unirats der Universität Basel sowie der MCH Group (Messe Schweiz). Letztere ist allerdings keine öffentlich-rechtliche Anstalt im eigentlichen Sinn, da der Staat «nur» 49 Prozent der Aktien hält.

Pikant: Was bei den BVB verboten wurde, ist bei der Baselland Transpaort AG (BLT) kein Problem: Zwei Verwaltungsräte rechnen ihr Honorar als Firma ab. Einer davon ist Verwaltungsratspräsident André Dosé. Dass es sich bei der BLT im Gegensatz zu den BVB nicht um eine öffentlich-rechtliche Anstalt, sondern um eine Aktiengesellschaft handelt, macht rein rechtlich gesehen keinen Unterschied.

Auch Benedikt Weibel rechnet mit der umstrittenen Praxis ab. Der frühere SBB-Chef und oberste Delegierte für die Euro 08 ist Verwaltungsratspräsident der Schweizerischen Rheinhäfen (SRH) mit Sitz in Birsfelden. Bei ihm stellt die Honorarrechnung die Benediktweibel GmbH, in der er und seine Frau arbeiten.

Dazu kommen weitere Fälle in den Verwaltungsräten des Universitätsspitals und der Universitären Psychiatrischen Kliniken. Mittlerweile ist die Geschäftsprüfungskommission (GPK) des Basler Grossen Rats auf diesen Sachverhalt aufmerksam geworden. Sie monierte kürzlich in ihrem Jahresbericht die «umstrittene Praxis» und gab die Empfehlung heraus, die VR-Honorare künftig direkt an die Mandatsträger auszubezahlen.

Tatsächlich gibt es bisher kein einheitliches Verfahren. «Gemäss den bisherigen rechtlichen Abklärungen ist es zulässig, das VR-Honorar an eine juristische Person auszuzahlen», sagt Tibor Hochreutener, Ökonom im Finanzdepartement. Die Regierung werde nun aufgrund der Empfehlung der GPK prüfen, ob zukünftig innerhalb des Kantons und seiner Beteiligungen ein einheitliches Vorgehen angezeigt ist. Erwartet wird die Stellungnahme Ende September.

Firma als Geldspeicher

Juristisch ist die Situation eigentlich klar. Ein Verwaltungsratsmandat ist eine persönliche Tätigkeit, damit kommen eigentlich nur natürliche Personen infrage. «Ein Verwaltungsratsmandat ist an die natürliche Person geknüpft», sagt auch Peter Schmid. Der Steuerberater der renommierten Kanzlei Swisslegal hat einen viel beachteten Aufsatz zum Thema mitverfasst, auf den sich die GPK bezieht.

Eine Ausnahme sei nur möglich, wenn ein Mitglied explizit als Vertreter einer Gesellschaft in einen Verwaltungsrat gewählt werde, etwa von einer Tochtergesellschaft. «Das Vorgehen, Verwaltungsratsmandate über eine Ich-AG abzurechnen, ist schlicht und einfach falsch. Das Steuergesetz macht ganz klar eine andere Vorgabe.»

Rein finanziell betrachtet macht es keinen grossen Unterschied. In einem Fall zahlt die öffentlich-rechtliche Anstalt die Mehrwertsteuer, im anderen die Sozialversicherungskosten. Für den Verwaltungsrat ergibt sich hingegen eine Reihe von Optimierungen, wenn er als Firma abrechnet. «Eine Firma bietet bessere Möglichkeiten, den Geldfluss zu optimieren», sagt Schmid.

Etwa indem man sich einen kleinen Teil des VR-Honorars von der Firma als Lohn auszahlen lässt und den Rest später als Dividende. Der Hauptvorteil aber: Statt die Honorare sofort versteuern zu müssen, können diese in der Firma einbehalten und später verwendet werden, beispielsweise für ein Geschäftsauto. «Der Zeitaufschub ist ein grosser Vorteil. Man hat quasi einen Geldspeicher», sagt Schmid.

Weiter bietet diese Variante mehr Möglichkeiten von Steuerabzügen. «Im Grunde genommen ist die Praxis, als juristische Person abzurechnen eine potenzielle Steuerumgehung, zumindest aber ein juristischer Graubereich», sagt Schmid.

«Macht keinen Unterschied»

Die betroffenen Verwaltungsräte widersprechen: «Das Ganze ist nur eine Vereinbarung, wie man abrechnet», sagt Vischer. In seiner Kanzlei gelte für alle Mitarbeiter die Abmachung, dass Honorare aus VR-Mandaten an die Firma überwiesen werden. Weil das Thema heikel sei, sei die Abmachung der Finanzkontrolle des Kantons unterbreitet worden. Diese hat die Praxis abgesegnet. «Für die Universität ist das Ganze kostenneutral», betont Vischer. Für ihn mache es auch keinen Unterschied, ob die Praxis vereinheitlicht werde, sagt Vischer.

André Dosé weilt zurzeit in den Ferien und nicht erreichbar. BLT-Geschäftsführer Andreas Büttiker sagt aber: «Das ist ein absolut korrektes Verfahren. Wenn das sauber geregelt ist, ist das überhaupt kein Problem.» Zumal die BLT noch einen weiteren Verwaltungsrat hat, der als Firma abrechnet.

Auch Benedikt Weibel lässt ausrichten: «Wir haben seit 2007 Hunderte Geschäftsfälle über unsere Firma abgerechnet, in der Schweiz und im Ausland. Das sind Referate, Unterricht, Kolumnen sowie Mandate. So auch die Euro 2008, die von der Eidgenössischen Finanzkontrolle geprüft wurde.» Dass alle Verbuchungen korrekt sind, darüber wache die Steuerverwaltung. «Mehr gibt es dazu nicht zu sagen.»

Von Paul Blumenthal ist eine Mail öffentlich, in der er schreibt: «Das war mit den Behörden, Steuerverwaltung und der AHV-Kasse so abgemacht.»