Gastro
Der Stecker wird gezogen: Die Basler «Mitte» geht jetzt offline

Die einstige Basler Hochburg für Gratis-Internet richtet eine internetfreie Zone ein. Statt Handys und Laptops überall soll wieder Papier in Fingern rascheln. WLAN gibt es immer noch – aber in weniger Bereichen.

Andreas Schwald
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Mitte Offline

Mitte Offline

Kenneth Nars
Das Logo dazu: Ein abgewandeltes WLAN-Symbol.

Das Logo dazu: Ein abgewandeltes WLAN-Symbol.

Kenneth Nars

Damals war es sensationell: Das damals schon grösste Kaffeehaus der Schweiz bietet seinen Gästen Gratis-WLAN, ohne Konsumzwang. Das «Unternehmen Mitte» war in den 2000er-Jahren ein Wegbereiter des Internet-Zugangs im öffentlich zugänglichen Raum. Legionen von Studenten arbeiteten dort bei Kaffee oder eben auch gar nichts an ihren Arbeiten, Migranten kommunizierten mit entfernten Verwandten oder man zockte irgendwelche Online-Spiele. Selbst wenn die Verbindung immer etwas wacklig war und es teils immer noch ist: Täglich hängen hunderte Laptops und Handys im Netz, die von der kostenlosen Bandbreite zehren.

Jetzt, wo Gratis-WLAN weitgehend durch potente mobile 4G-Funknetze abgelöst wird, macht die «Mitte» wieder eine Wende. Ab Montag verfügt das Lokal über die erste «Offline-Zone» in Basel. Und zwar nicht in irgendeinem Nebenraum, sondern in der sprichwörtlichen «Mitte der Mitte». Natürlich kann der Raum nicht einfach von allen Strahlen entkoppelt werden, wie Kaffeehaus-Mitgründer Daniel Häni vor Ort sagt. Dazu hätte schon ein faradayischer Käfig eingerichtet werden müssen, der vor sämtlicher Strahlung abschirmt.

Handys bitte im Flugmodus

Deshalb wird der Bereich erst einmal durch Markierungen abgetrennt und mit Schildern ausgezeichnet. Das Ziel: Laptops in die Tasche, Handys auf Flugmodus, dafür wieder mehr von Mensch zu Mensch. Wieder mal eine Zeitung durchblättern. Ein Buch lesen. «Uns geht es um die Aufmerksamkeit im analogen Raum, den Blick nicht auf den kalten Bildschirmen richten, sondern schweifen lassen», so Häni. Das Symbol dazu: ein quasi umgedrehtes WLAN-Piktogramm. Das sieht dann ein bisschen aus wie ein Mensch. Offline entspreche einem Trend, sagt Häni: In den USA sind so genannte «Offline-Events» beliebt, also Treffen ohne digitale Empfangsgeräte.

In der Schweiz existiert das hingegen kaum. Auch deshalb hat sich der ehemalige Inbegriff für gastronomisches Online für den Wechsel entschieden. Häni glaubt an den Erfolg des Trend-Projekts. Ähnliche Einrichtungen, die freiwillig im prominenten Bereich Offline-Zonen anbieten, kennt Basel nicht. Abgesehen von irgendwelchen Kellerbars oder Altstadt-Bauten, die ohnehin keinerlei Funksignale erreichen.

Müssen wir dauernd arbeiten?

«Damit stossen wir mittels Erleben eine Debatte an zu den brennenden und auch schleichenden Fragen im Umgang mit unserer Aufmerksamkeit im Kontext ständiger Erreichbarkeit», sagt Häni. Ob wir wirklich immer online sein wollen? Immer arbeiten müssen? Oder wirklich mal abschalten wollen? Tatsächlich trifft er damit einen Nerv. Apple etwa misst mit seiner neusten iPhone-Software die individuelle Bildschirmzeit der Nutzer (Durchschnitt des Autors derzeit: rund zweieinhalb Stunden täglich). Die Sensibilität steigt in einer Welt, die «Phantom-Vibrationen» als Begriff für vermeintlich eingehende Nachrichten oder Mails kennt und vorm Schlafengehen noch eine Stunde durch Social Media scrollt.

Dass er damit seine Gäste vertreibt, glaubt Häni nicht. WLAN werde es zudem weiterhin geben. Auf der Terrasse vor dem Kaffeehaus herrscht heute schon ein Laptop-Verbot und aus dem Raucherabteil «Fumare» wurden Computer auch schon verbannt. Die «Mitte» werde keine Internet-Polizei einrichten, so Häni. Er setzt auf das Bedürfnis, tatsächlich öfter die Finger und Augen von den mobilen Apparaten zu lassen. Und auf ein soziales Umfeld, das die neue analoge Aufmerksamkeit wertschätzt.