Ferrari GTC4Lusso am Polarkreis
Auf einen letzten Tanz

Von Oktober bis Ostern: Die Winterreifen sollten nun wieder eingelagert werden. Bevor es soweit ist, bittet der Ferrari GTC4Lusso zum letzten Tanz auf Schnee und Eis in Lappland.

Philipp Aeberli
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Ferrari GTC4Lusso

Ferrari GTC4Lusso

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Es macht sich fast schon Erleichterung breit. Denn im Winter war hier oben viel los. Unermüdlich wurde getestet und und trainiert. Nun neigt sich die Saison dem Ende entgegen, es wird wieder ruhig und beschaulich. Die Region um Arjeplog zählt 8727 Seen - und 3000 Einwohner. Pro Quadratkilometer leben hier lediglich 0,2 Menschen. Man sagt gar, es gebe hier oben, rund 80 Kilometer südlich des Polarkreises, mehr Schneemobile als Frauen. Doch während der Saison, wenn sich gerne auch 10 000 Menschen hier oben aufhalten, ist alles ein wenig anders. Die Autoindustrie nutzt die widrigen Bedingungen für intensive Tests. Die Temperaturen sinken bis unter –40 Grad Celsius. Schnee und Eis sind sicher. Nicht nur auf den Strassen und in den Wäldern, sondern auch auf den Seen, die von einer 1,2 Meter dicken Eisschicht bedeckt sind. Diese werden nicht nur für die Testfahrten der Autoentwickler, sondern auch für Kundenanlässe und Eisfahr­Kurse befahren. Ende März ging die Saison in Arjeplog zu Ende. Die Temperaturen liegen noch knapp unter dem Gefrierpunkt, doch das ändert sich schon bald; das Eis beginnt zu tauen. Aber für eine letzte Ausfahrt durch die Winterlandschaft und ein paar letzte schnelle Runden auf dem zugefrorenen See ist allemal noch Zeit.

Ferrari GTC4Lusso am Polarkreis.
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Ferrari GTC4Lusso
Ferrari GTC4Lusso
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Freier Auslauf auf dem Uddjaur-See.
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Ferrari GTC4Lusso am Polarkreis.

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Heissblut auf Eis

Ein Ferrari ist gemeinhin nicht als perfektes Winter­- und Alltagsauto bekannt. Doch spätestens mit der Einführung des FF im Jahre 2011 hat sich das geändert. Der FF war als vollwertiger Vierplätzer konstruiert und darüber hinaus der erste Ferrari mit Allradantrieb. Der Nachfolger des FF heisst nun GTC4Lusso. Lusso heisst zu Deutsch Luxus; dem wird der Ferrari mit genügend Platz auf allen vier Sitzen, viel Leder und einem brauchbaren Kofferraum von bis zu 800 Litern bei umgeklappten Rücksitzen gerecht. Und natürlich mit seinem Antrieb. Unter der lang gestreckten Haube steckt klassische Motorentechnik vom Feinsten: Ein V12 mit 6,3 Liter Hubraum. Weder E-­Motoren noch Turbolader verfälschen Klang oder Ansprechverhalten. Das italienische Prachtstück schüttelt seine Leistung spontan, gleichmässig und ehrlich aus dem Ärmel; und beeindruckt mit 690 PS und 697 Nm Drehmoment – die aber vorerst friedlich traben. Auf den teilweise noch vereisten Strassen ist allerdings erst mal Vorsicht angebracht. Die wechselnden Bedingungen erfordern Konzentration von Mensch und Maschine. Beim ersten Kennenlernen, einer Ausfahrt zum Polarkreis, bleibt das kleine Rädchen am Lenkrad, mit dem man den Fahrmodus wählt, daher auf die Schneeflocke gestellt. Im Wintermodus nimmt der Italiener seine 690 Pferde an die kurzen Zügel. Die Regeleingriffe der Elektronik sind zwar spürbar, doch unterbinden sie jegliches Rutschen effektiv und lassen keine Hektik aufkommen. Denn Hektik wäre hier fehl am Platz.
Schwedisch Lappland ist das Land der Ruhe und Stille. Die endlose Weite, das sanfte Licht und die eisigen Temperaturen – auch Ende März zeigt das Thermometer noch Minusgrade – schaffen eine einzigartige Atmosphäre, der sich der GTC4Lusso als gediegener Reisewagen anpasst. Angekommen am Polarkreis, gibt es nur noch einen Weg: Wieder zurück. Hier oben in der absoluten Stille, gut 2600 Kilometer vor dem Nordpol, endet die Strasse.

Ferrari GTC4Lusso am Polarkreis.

Ferrari GTC4Lusso am Polarkreis.

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Der letzte Tanz

Zurück in Arjeplog geht es auf den Uddjaure-­See. Der mit einer Fläche von 249 Quadratkilometern zehntgrösste See Schwedens wird im Winter zu einer gigantischen Eisfläche – und damit zur grossen Spielwiese für Testfahrten aller Art. Von Erlebnisfahrten für Privatkunden über Tests diverser Autohersteller bis hin zu Trainingsfahrten für Rennfahrer ist hier alles gefahrlos möglich. Auf dem See sind vier Formel­-1-­Strecken in Originalgrösse nachgebildet. Statt im Kiesbett oder gar im Reifenstapel endet ein Abflug hier aber höchstens im weichen Schnee. Aber: Anstelle von griffigem Asphalt gibt es hier nur blankes Eis unter die Reifen. Nach einer intensiven Saison ist der See heute zum letzten Mal befahrbar. Ab April beginnt es zu tauen, das Eis wird dünner. Doch für diesen einen Tag ist das Paradies aus Kurven und Geraden auf Eis noch voll befahrbar. Noch dazu mit einer italienischen Schönheit mit fast 700 Pferden unter der Haube und vier angetriebenen Hufen. Auch auf blankem Eis und ohne bissige Spikes­-Bereifung kommt der GTC4Lusso hier mühelos vom Fleck – und begeistert schon auf den ersten Metern mit den musikalischen Klängen, die der V12 bei höheren Drehzahlen von sich gibt. Respekt verdient sich der Ferrari aber auch mit seiner tadellosen Abstimmung, die man hier perfekt erfahren kann. «Der GTC4Lusso ist nicht nur schnell, sondern auch schön zu fahren», meint Ferrari­Chef­Testfahrer Raffaele de Simone. Nach einem Nachmittag auf dem zugefrorenen See kann man ihm nur recht geben. Der grossvolumige Saugmotor spricht so unmittelbar an, wie man es von modernen Turbo­Triebwerken kaum mehr kennt. Die Lenkung ist direkt übersetzt und äusserst präzise. Der vierplätzige Ferrari ist mit 4,92 Meter Länge zwar ein grosses Auto und mit fast 1800 kg auch kein Leichtgewicht, doch das steht dem Spass nicht im Wege.
Dank der guten Balance kann man das Gewicht nutzen und regelrecht mit dem Auto spielen. Es wirkt schon fast bizarr, doch am wohlsten fühlt sich der Allradler, wenn er auf dem Eis wie ein echtes Rallye­-Auto behandelt wird. Auf der Bremse einlenken, warten, bis das Heck ausschert und mit dosiertem Gas im gepflegten Drift ums Eck. Das würde man dem eleganten Italiener kaum zutrauen. Zumal das Ganze von einer beeindruckend präzisen Elektronik untermauert wird. Denn auch für derartige Manöver kann die Stabilitätskontrolle komplett eingeschaltet bleiben; das «Manettino» am Lenkrad steht auf «Comfort», die Abstimmung, die man auch für den Alltag auf der Strasse wählt. Es scheint, als lese die Elektronik den Fahrer. Sie lässt ihn gewähren, solange die Fahrmanöver kontrolliert wirken – und greift ein, wenn die Sache aus dem Ruder läuft. Leise tickend kühlt sich der Ferrari GTC4Lusso schliesslich ab. Die Stille kehrt auf den See zurück. Nebst der Erleichterung macht sich nun auch das Verlangen breit, hierher zurückzukehren, wenn der See wieder von einer dicken Eisschicht überzogen ist.

Freier Auslauf auf dem Uddjaur-See.

Freier Auslauf auf dem Uddjaur-See.

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