Das Bezirksgericht Zurzach hat klären müssen, ob ein Automobilist vor einem Unfall in Leibstadt den Vortritt eines Motorradfahrers missachtete. Eine Frage blieb nach dem Freispruch noch offen.
Es geschah in Leibstadt: Autolenker Paul (Namen geändert) war unterwegs auf einer Nebenstrasse und wollte die Rheintalstrasse queren. «Ich habe links, rechts links, rechts geblickt und, als die Rheintalstrasse frei war und ich auch beim Stop auf der gegenüberliegenden Seite kein Fahrzeug sah, bin ich losgefahren», schilderte der 70-Jährige vor Einzelrichter Cyrill Kramer am Bezirksgericht in Bad Zurzach.
Vom «Stop» her aber war im selben Moment der Motorradfahrer Udo nach links in die Rheintalstrasse eingebogen. Pauls Auto hatte ihn erfasst, Udo war gestürzt und hatte sich eine Verletzung des Brustkorbs sowie Prellungen an Becken, Hüfte und Unterschenkel zugezogen. Glücklicherweise waren die Verletzungen nicht schwerer.
Wegen fahrlässiger Körperverletzung und Verletzung der Verkehrsregeln – konkret mangelnde Aufmerksamkeit – war Autofahrer Paul zu einer bedingten Geldstrafe von 10 Tagessätzen sowie 500 Franken Busse plus 910 Franken Kosten und Gebühren verurteilt worden. Er hatte den Strafbefehl nicht akzeptiert und sich einen Anwalt genommen.
Dieser hatte beim zuständigen Staatsanwalt die Einstellung des Verfahrens gefordert, wofür der Ankläger jedoch kein Gehör hatte. So musste der Anwalt seine Begründung bei Gericht vortragen.
Dass – wie im Strafbefehl aufgeführt – sein Mandant das «vortrittsberechtigte Motorrad übersehen habe», sei falsch, sagte der Anwalt zu Einzelrichter Cyrill Kramer. Auch bei Nebenstrassen gelte Rechtsvortritt. «Da der Motorradfahrer vom Stop her nach links abbog, war er gegenüber dem geradeaus fahrenden Auto belastet, das heisst, mein Mandant war vortrittsberechtigt.»
Dass Töfffahrer Udo gegenüber der Polizei ausgesagt hatte, Paul sei auf der gegenüberliegenden Strassenseite ungebremst über das Signal «kein Vortritt» hinausgefahren, sei schlicht falsch: «Niemand fährt dort ohne hochgradige Selbstgefährdung ungebremst auf die Rheintalstrasse, zumal zusätzlich Büsche die Sicht versperren», so der Anwalt weiter.
Im Übrigen kenne sein Mandant die dortige Situation gut. Wo genau das Motorrad nach dem Zusammenstoss lag, liess sich von der Polizei nicht eruieren, da Paul und Udo nach dem Crash ihre Fahrzeuge neben der Rheintalstrasse abgestellt hatten. «Klar ist jedoch, dass Udo vortrittbelastet war», schloss der Anwalt, der für seinen Mandanten einen Freispruch forderte.
Diesen sprach Richter Kramer denn auch aus: «Das Auto hatte klar Vortritt, und dass Paul ohne anzuhalten auf die Rheintalstrasse gefahren war, ist unbewiesen.» Unverständlich blieb nach der Verhandlung aber, warum der Staatsanwalt den bestens begründeten Antrag des Verteidigers auf Einstellung des Verfahrens nicht hatte wahrhaben wollen.