Damit die Tier- und Pflanzenvielfalt erhalten bleibt, sollen ökologische Flächen in Städten und Dörfern aufgewertet und vernetzt werden. Beim Kanton läuft dazu ein Projekt. In einem Podiumsgespräch im Naturama zeigte sich, dass zuerst Gartenbesitzern und Behörden klar werden muss, was Biodiversität bedeutet.
Ein paar Quadratmeter Wiese am Strassenrand, ein Weiher beim Schulhaus und ein Bienenhotel im Garten: Solche Projekte sind beliebt, Biodiversitätsförderung wird gerne auch im Wohngebiet betrieben. Doch wenn sich die Siedlungsgebiete immer weiter ausbreiten, können auch sie nichts gegen das Artensterben ausrichten.
Dass Lebensräume für Tiere und Pflanzen wegen Strassen und Eisenbahnen, Überbauungen und intensiver Landwirtschaft schrumpfen und voneinander abgeschnitten werden, gilt als einer der Hauptgründe für Biodiversitätsverlust.
Dem kann man jedoch ein Stück weit begegnen. Und zwar, indem qualitativ gute Lebensräume so miteinander vernetzt werden, dass sich die Arten auch im überbauten Gebiet verbreiten können. Dafür sollen Kerngebiete mit hohem ökologischem Wert definiert und durch Vernetzungsgebiete ergänzt werden. Etwa Korridore und kleine natürliche Strukturen sollen die Landschaft durchlässig machen. Ergänzt werden sie stellenweise durch Durchlässe für Amphibien und Wildtierkorridore.
Diese Netzwerke zu planen und umzusetzen ist eines der Ziele der Strategie Biodiversität Schweiz des Bundes. Für den Aargau ist die Planung einer solchen ökologischen Infrastruktur in Arbeit – als einer der ersten Kantone.
Am Mittwoch luden die Abteilung Landschaft und Gewässer des kantonalen Umweltdepartements und die Abteilung Naturförderung des Naturama für ein Podiumsgespräch zu diesem Thema ins Naturama in Aarau ein.
Nur gut 20 Leute kamen. Wie sich bei der Diskussion später herausstellte, waren darunter viele, die bei Kanton oder Naturama tätig und deshalb interessiert sind. Das bemerkte auch Moderatorin Bea Stalder, Projektleiterin Bildung und Vermittlung beim Naturama. Dabei sei das Thema doch spannend, seit zwei Jahren schon seien sie dabei, die ökologische Infrastruktur voranzutreiben.
Was es dafür noch braucht, zeigte zunächst der kantonale Projektleiter Alex Stirnemann auf. Verdichtetes Bauen erhöhe den Druck auf die Artenvielfalt, die vielen Grundeigentümer mit ihren unterschiedlichen Bedürfnissen erschwerten aber die Vernetzung. Bevölkerung und Behörden müssten also sensibilisiert werden, nannte Stirnemann einen der wichtigsten Aspekte. Weiter müssten Planungsgrundlagen für die Gemeinden geschaffen, Synergien und Kompromisse gefunden und die raumplanerischen Vorgaben angepasst werden.
Das anschliessende Podium kündigte Bea Stalder als interaktiv an. Auch das Publikum sollte sich «Werkzeuge» für eine ökologische Infrastruktur überlegen und einbringen. Ein Problem liege bei den Normvorstellungen, die wir von Natur im Wohngebiet hätten, sagte Michael Widmer, der Gemeindeschreiber von Frick, wo eine ökologische Infrastruktur bereits angedacht ist. Es gehöre sich für viele, dass Gras eben gemäht werden müsse, ein Garten sei erst dann schön, wenn er aufgeräumt ist.
Es brauche deshalb einen guten Austausch mit den Leuten, um ihnen zu erklären, warum man es eben nicht so mache, sagte Beat Flach. Der GLP-Nationalrat ist Präsident der Stiftung Natur und Wirtschaft, die sich für Biodiversität etwa bei Firmen einsetzt und für gute Anlagen Labels verleiht. «Es gibt Reklamationen, die meisten sehen es aber ein.»
Auch wenn es noch viel brauche, sei die ökologische Infrastruktur auf gutem Weg, sagte André Stapfer, Geschäftsführer der nationalen Fachgruppe Ökologische Infrastruktur. Einiges laufe bereits, gerade im Aargau. Mehr Verbindlichkeit wäre aber nötig, etwa indem die ökologische Infrastruktur für die Gemeinden verpflichtend wäre.
Er wolle lieber sensibilisieren als vorschreiben, meinte Flach. In die Gartengestaltung von Einfamilienhausbesitzern reinzureden, wäre schwierig, sagte auch Michael Widmer. Häufig fehle es aber auch einfach am Wissen, was es für mehr Biodiversität brauche. Eigentlich wolle niemand in einer Siedlung ganz ohne Grün leben, doch «es ist eben nicht getan mit einer Grünfläche».
Ob denn etwa steuerliche Abzüge für jene, die ihren Garten besonders ökologisch gestalten, ein Anreiz sein könnte, kam eine Frage aus dem Publikum. Einen psychologischen Effekt könnte das vielleicht haben, sagte Beat Flach. Wahrscheinlich wäre dieser aber klein.
Ein anderer Vorschlag war, Grundeigentümern beispielsweise eine bessere Ausnützung zuzugestehen, wenn ihr Garten zu 100 Prozent ökologisch bepflanzt wird. Auch, ob die Gemeinden verpflichtet werden sollen, bei ihren Revisionen der Nutzungsordnungen die ökologische Infrastruktur einzubringen, kam als Idee. Das würde ohne Umsetzung nichts bringen, meinte Michael Widmer. Zudem würde es zu lange dauern, bis jede Gemeinde so weit wäre.
Noch steht die ökologische Infrastruktur am Anfang. Er sei deshalb auch nicht erstaunt, dass das Thema nicht mehr Publikum ins Naturama gelockt hat, sagte André Stapfer. Das könnte sich bald ändern, denn demnächst geht das Naturama mit einer Wanderausstellung zur ökologischen Infrastruktur auf Tour.