Birrwil
Dieses Nein wird teuer

Die Birrwiler Gemeindeversammlung lehnt die Moderne Melioration wuchtig ab. Ein Teil davon wird trotzdem umgesetzt, aber ohne Geld von Bund und Kanton

Pascal Meier
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Die Kirche bleibt im Dorf: Die Birrwiler sagen nach emotionaler Debatte klar Nein zur Melioration.

Die Kirche bleibt im Dorf: Die Birrwiler sagen nach emotionaler Debatte klar Nein zur Melioration.

Peter Siegrist

Der Entscheid ist eindeutig: Mit 157 zu 54 Stimmen hat die Birrwiler Gemeindeversammlung am Freitag die Moderne Melioration wuchtig bachab geschickt (die az berichtete). Mit dem Mammut-Projekt wollten Gemeinderat und Kanton unter anderem das auf 1270 kleine Parzellen verteilte Landwirtschaftsland neu gliedern. Denn in kaum einer Aargauer Gemeinde ist dieses so zersplittert wie in Birrwil: Die Wege der Bauern zu ihren Feldern sind deshalb lang und die Bewirtschaftung mühsam. Mit der Melioration sollten diese Parzellen neu definiert, zu grösseren Einheiten zusammengefasst und besser erschlossen werden. Zudem hätten die privaten Feldwege an die Gemeinde übertragen werden sollen, was einen zuverlässigen Unterhalt sicherstellt.

Diese Pläne sind nun nach dem deutlichen Nein der Gemeindeversammlung vom Tisch. «Der Beschluss ist zu akzeptieren, für die Gemeinde aber schade», sagt Gemeindeammann Verena Christen. Mit einem so deutlichen Nein hatte Christen nicht gerechnet – obwohl es im Dorf seit längerem Widerstand gegen eine Melioration gibt: Die Birrwiler hatten deren Vorplanung bereits 2009 abgelehnt. Auch die Neuauflage wurde in den vergangenen Monaten im Dorf kontrovers diskutiert.

Als Höhepunkt der Debatte kamen dann am Freitag 218 Stimmbürger an die Gemeindeversammlung – eine aussergewöhnlich hohe Beteiligung von
24 Prozent. Mehrere Stunden wurde teils emotional diskutiert. «Dabei war Misstrauen spürbar sowie Unsicherheit, wie das Projekt dann konkret umgesetzt wird», sagt Verena Christen. «Auch unter den Landwirten gibt es Gegner, was wahrscheinlich Einfluss auf den Entscheid hatte.»

Das klare Nein zur Melioration fiel dann erst gegen Mitternacht, und zwar auf Antrag einer Stimmbürgerin in geheimer Abstimmung. Der Beschluss ist definitiv und rechtskräftig, weil mehr als 20 Prozent der stimmberechtigten Birrwiler anwesend waren. Ein Referendum mit Abstimmung an der Urne ist damit nicht möglich.

Kein Geld von Bund und Kanton

Was bedeutet das Nein für die Zukunft Birrwils? Will der Gemeinderat das Projekt überarbeiten und nochmals vor die Gemeindeversammlung bringen? «Nein, die Moderne Melioration ist vom Tisch», sagt Verena Christen. Dies betreffe jedoch nicht alle Massnahmen, die Gemeinderat und Kanton innerhalb der Melioration umsetzen wollten. Christen: «Unter anderem beim Hochwasser- und Quellenschutz müssen wir sowieso handeln. Genauso beim Unterhalt der Strassen und Flurwege ausserhalb der Bauzone, die der Gemeinde gehören. »

Diese Massnahmen kosten die Gemeinde Birrwil voraussichtlich rund
2,5 Millionen Franken – und damit rund doppelt so viel, als wenn sie im Rahmen der Modernen Melioration mit neuer Parzellenstruktur durchgeführt würden. Grund: Keine Melioration, keine Subventionen von Bund und Kanton. Verena Christen bedauert dies, hält aber fest. «All diese Massnahmen werden über einen Zeitraum von vielen Jahren umgesetzt.»

Vom Tisch ist die Moderne Melioration auch für den Kanton, der eine solche verfügen könnte. In Birrwil ist dies kein Thema: «Der demokratische gefällte Entscheid der Gemeindeversammlung ist eindeutig», sagt Matthias Müller, Leiter von Landwirtschaft Aargau. «Ein solches Rechtsmittel macht zudem nur bei Projekten mit hohem öffentlichem Interesse Sinn, beim Bau einer Autobahn zum Beispiel.»