Umweltverbände wollen die Aargauer Feuchtgebiete schützen und fördern. Am Montag haben sie ihre Initiative lanciert und ein prominentes Unterstützungskomitee vorgestellt. Der Bauernverband hat am Anliegen keine Freude.
Der Aargau hat das Wasser im Wappen und die Aare im Namen. Ein guter Teil der Niederschläge in den Alpen fliesst irgendwann durch den Kanton. Dem Wasserkanton würde es also gut anstehen, seine Gewässer zu schützen, insbesondere auch die kleineren. Das finden die kantonalen Sektionen der Umweltverbände Pro Natura, WWF und Bird Life sowie der Aargauische Fischereiverband und der Landschaftsschutzverband Hallwilersee.
Gestern Montag haben sie eine kantonale Volksinitiative lanciert: «Mehr lebendige Feuchtgebiete für den Kanton Aargau» fordert die «Gewässer-Initiative». Sie verlangt, dass innert 20 Jahren Kanton und Gemeinden für genügend Feuchtgebietsfläche sorgen, damit die Biodiversität im Aargau gesichert und gestärkt wird.
Das Anliegen ist in der Politik breit abgestützt: Im Unterstützungskomitee sind die Nationalräte Beat Flach (GLP) und Matthias Jauslin (FDP) sowie Nationalrätin Gabriela Suter (SP). Weiter vertreten sind Grossrätin Gertrud Häseli (Grüne), alt Grossrätin Sabine Sutter-Suter (Die Mitte) und der Geschäftsführer der Hallwilersee-Schifffahrtsgesellschaft Ueli Haller. Er ist SVP-Gemeindepräsident von Meisterschwanden. Weiter im Unterstützungskomitee ist Kurt Braun, der Präsident des Fischereiverbands.
Seit 1993 kommt den Aargauer Auen ein besonderer Schutz zu. 68 Prozent der Stimmbevölkerung hatten damals der Initiative zugestimmt, heute ist der Auenschutzpark fast vollständig realisiert. Nun sei aber auch der Schutz der Feuchtgebiete nötig, sagte Matthias Betsche, Geschäftsführer von Pro Natura Aargau, bei der Präsentation.
Wo es Wasser gibt, sei die Artenvielfalt besonders gross, gerade hier seien die Arten aber auch gefährdet, so Betsche – etwa Amphibien und Vögel. Ihr Lebensraum ist heute im Aargau zu klein und zu wenig vernetzt. Frösche, Molche, Blindschleichen und Eisvögel können sich nicht so ausbreiten und vermehren, dass sich ihre Bestände erholen.
Mit dem Schutz und der Aufwertung von Feuchtgebieten soll aber nicht nur die Biodiversität gestärkt werden, führten Vertreter von Unterstützungs- und Initiativkomitee aus. Bäche und Flüsse mit natürlichen Läufen und genügend Platz würden die Hochwassergefahr bannen, kühlende Bäche und schattige Auen würden einen Temperaturausgleich im Klimawandel schaffen, eine schöne Natur fördere die Gesundheit der Menschen. Und auch wirtschaftlich könnten Feuchtgebiete genutzt werden.
Hier bestehen allerdings auch die Interessenskonflikte. Einerseits mit der Energiewirtschaft, wenn Gewässer zur Stromgewinnung genutzt werden oder Hochspannungsleitungen die Landschaft kreuzen. Andererseits mit der Landwirtschaft, von der es bereits Widerstand gibt.
«Unsere Initiative ist breit abgestützt, die Landwirtschaft aber fehlt», sagte Grünen-Grossrätin Gertrud Häseli, selber Bäuerin im Fricktal. Der Unmut der Landwirtinnen und Landwirte sei gross, ohne ihre Bereitschaft gehe es aber vielerorts nicht: «Wir dürfen nicht für fremdes Land neue Auflagen beschliessen», so Häseli.
Es geht dabei nicht einfach nur darum, dass landwirtschaftlich genutztes Land umgezont und es jemandem weggenommen würde. Vielmehr müssten Entwässerungen von Land und Humusabbau thematisiert werden. «Landwirtschaft ist auch Ernährungswirtschaft. Hier müssen wir den Landwirtinnen und Landwirten entgegenkommen», sagte Häseli. Die Initiantinnen und Initianten seien auch in der Pflicht, die Bauernfamilien mit an Bord zu nehmen.
Tatsächlich erachtet der Bauernverband Aargau die Gewässer-Initiative als unnötig, teilte der Verband am Montagnachmittag mit. Während die Bauern jedes Jahr 400 Hektaren qualitativ hochstehende Biodiversitätsfläche schafften, stagniere die Entwicklung im Siedlungsgebiet auf tiefem Niveau.
Die Ausdehnung der Ökoflächen im Landwirtschaftsgebiet gehe aber auf Kosten der Nahrungsmittelproduktion, was schliesslich zu mehr Importen führe. «Dort besteht sogar die Gefahr, dass bestehende Moore trockengelegt oder Regenwald abgeholzt wird», warnt der Bauernverband. Dieser sei aber vor allem erstaunt, dass «gewisse Liberale» auch Quasi-Enteignungen unterstützen würden.
Biodiversität sei ein urliberales Anliegen, fand jedoch FDP-Nationalrat Matthias Jauslin: «Die ganze Gesellschaft hängt daran. Das Wasser gehört in die Verfassung.»
Matthias Betsche ist Geschäftsführer von Pro Natura Aargau. Zusammen mit vier weiteren Verbänden hat Pro Natura die Gewässer-Initiative lanciert.
Herr Betsche, die Umweltverbände haben vor bald
30 Jahren die Auenschutz-Initiative zum Erfolg geführt. Warum braucht es jetzt auch noch eine Initiative für die Feuchtgebiete?
Matthias Betsche: Die Auen-Initiative war ein grosser Erfolg. Nun hat die Regierung in der Antwort auf drei Vorstösse im Grossen Rat festgestellt, dass es für die Erhaltung der bedrohten Feuchtgebietsarten mehr braucht. Die verbliebene Fläche an Feuchtgebieten ist zu klein, dass sich Tier- und Pflanzenarten halten können. Zu diesen Entwicklungen gibt es Untersuchungen des Kantons und diese zeigen klar auf, dass wir jetzt an einem Punkt angelangt sind, an dem wir dafür sorgen müssen, dass die Biodiversität in den Wasserlebensräumen nicht noch mehr schwindet. Wir müssen jetzt handeln.
Kanton und Gemeinden sollen für Feuchtgebiete sorgen. Das ist nicht konkret.
Es ist sehr konkret. Die Initiative verlangt, dass umgesetzt wird, was notwendig ist, damit die Biodiversität in den Wasserlebensräumen erhalten bleibt. Vom Kanton wissen wir, dass es in der Grössenordnung von rund 1000 Hektaren zusätzliche Feuchtgebiete braucht. Wir setzen dort an und geben den Auftrag dazu, dass dies auch innert 20 Jahren umgesetzt wird.
Keine Freude an der Initiative hat die Landwirtschaft. Wurde der Bauernverband angefragt, ob er mitmacht?
Wir haben bewusst keine Verbände oder Parteien angefragt, sondern verschiedene Einzelpersonen. Darunter auch Landwirtinnen und Landwirte, die jetzt auch Mitglieder des Unterstützungskomitees sind. Wir werden aber sicher weitere Gespräche führen. Denn die Umsetzung verlangt die Mitwirkung verschiedener Beteiligter, Parteien und weiterer Unterstützer.
Dann stört es Sie auch nicht, dass die FDP vorgeprescht
ist und demnächst einen gleichlautenden Vorstoss im Grossen Rat einreicht?
Nein, das stört mich nicht. Ich begrüsse es sehr, dass das Thema aufgegriffen wird. Uns geht es um die Sache, um die Lösung eines Problems. Dieses ist, dass die Artenvielfalt schwindet und an einem Punkt angelangt ist, wo wir nicht mehr einfach zuschauen können. Ich freue mich über alle, die mithelfen. Aber man wird es auch daran messen, was tatsächlich gemacht wird. Noch sind wir mit den Vorstössen nicht so weit, dass unsere Forderungen erfüllt würden.
Was denken Sie: Wird die Gewässer-Initiative von den Aargauerinnen und Aargauern befürwortet?
Ich denke, dass die Gewässer-Initiative sehr viele Vorteile für uns Menschen anspricht – in Bezug auf Klima, Naherholung, Biodiversität, Hochwasserschutz und Wasserhaushalt. Ich glaube darum an eine breite Unterstützung, weil diese im Bewusstsein geschieht, dass wir zum Rohstoff Wasser Sorge tragen müssen. Die Menschen und die Natur profitieren von diesen zusätzlichen Feuchtgebietsflächen.