Der Wolf reisst auch im Aargau wieder Nutztiere. Marcel Frei, Schafzüchter aus Abtwil und Matthias Betsche, Geschäftsführer Pro Natura Aargau, diskutieren im «Talk Täglich» über das Problem. Zwei Welten treffen aufeinander.
Am 26. Januar hat ein Wolf in Unterkulm ein Schaf gerissen – und damit die Wolfsdebatte im Aargau wieder lanciert. Im «Talk Täglich» auf Tele M1 haben am Dienstagabend Pro-Natura-Aargau-Geschäftsführer Matthias Betsche und der Freiämter Schafzüchter Marcel Frei über den Umgang mit dem Wolf diskutiert.
Marcel Frei war im Frühling 2022 selbst von einem Schafsriss betroffen. 26 Tiere hat er verloren: «Innerhalb einer halben Stunde hat der Wolf den ganzen Nachwuchs gerissen. Drei Tiere mussten wir sogar unter polizeilicher Aufsicht erschiessen, um sie von ihren Leiden zu erlösen.» Vom neuerlichen Riss im Kanton habe er von einem Berufskollegen erfahren.
Matthias Betsche kann die Sorgen der Bauern nach dem neuerlichen Riss verstehen. Gleichzeitig ist es für den Tierschützer aber auch erfreulich, dass es Tierarten wie der Wolf wieder zurückschaffen. Und er stellt klar: «So viele Schaffsrisse auf einmal sind eher selten, eher dann der Fall wenn es noch keine Schutzmassnahmen gibt.»
Dem widerspricht Frei dezidiert. Seine gerissenen Schafe seien in einem herdenschutzkonformen Zaun gewesen, der 105 Zentimeter hoch war. Der Wolf habe 8000 Volt starke Stromschläge abgekriegt, was ihn dennoch nicht am Eindringen gehindert habe. «Es ist eine Illusion, dass Herdentiere mit einem solchen Zaun geschützt werden können.» Er sei aktuell fast Tag und Nacht bei den Tieren, um nach ihnen zu sehen. Dort wo er Schutzhunde hat, sei alles in Ordnung, ein Zaun würde aber nichts bringen.
Für Betsche ist es wichtig ist, dass man zuerst versucht, Schutz-Massnahmen wie etwa den Einsatz von Herdenschutzhunden zu ergreifen, bevor reguliert werde. «Wenn es nicht funktioniert, kann mit dem neuen Gesetz eingegriffen werden und der Wolf kann reguliert werden».
Für Schafzüchter Frei dagegen kommt das alles zu spät. Er findet, man hätte spätenstens vor etwa drei Jahren, als die Zahl der Wölfe stieg, handeln müssen. Aber die Tier- und Umweltschützer hätten da nicht Hand geboten. Die Folge: «Jetzt haben Risse am Laufmeter», sagt er. Im Bündnerland können die Bauern ihre Alpweiden nicht einmal mehr bestossen. Frei findet es schlimm, dass zuerst alle Massnahmen ausgeschöpft werden müssen, bis es zu einem Wolfsschuss komme. Und auch die 300 Franken, die er für ein gerissenes Schaf erhalte, seien der Metzgerpreis und würden den Unterhalt kaum ersetzen.
Betsche fordert, dass von beiden Seiten keine Romantisierung stattfindet. Die Schafe wären so oder so im Schlachthof gelandet, gibt er zu bedenken. Frei kontert: «Dort leiden sie aber weniger.» Er ist der Meinung, dass es die Tierschützer 2019 verpasst haben, bei der Wolfsregulation mitzuhelfen. Denn laut den Zahlen des Bundes ist die Anzahl Wölfe in den letzten zwei Jahren von 13 auf 180 Tiere gewachsen.
Frei unterstellt Betsche in der TV-Sendung, dass Tierschützer die Wölfe für Spenden missbrauchten. Dies weist Betsche vehement zurück und betont stattdessen, dass er nicht noch einmal so einen Machtkampf wie bei der Revision des Jagdgesetzes wolle.
Während für Frei die Menge an gerissenen Tieren der entscheidende Faktor ist, findet Betsche das Verhalten des Wolfes viel wichtiger. Und während die Revision des Jagdgesetzes für Betsche ein Kompromiss darstellt, findet Frei, dass diese ganze Thematik auf den Buckeln der Bauern ausgetragen wird.
Nach der Sendung schlugen die beiden auch versöhnliche Töne an. Pro-Natura-Geschäftsführer Betsche betonte, er nehme die Probleme der Nutztierhalter wirklich sehr ernst und sei an Lösungen interessiert. Schafzüchter Frei lud ihn ein, sich bei ihm vor Ort ein Bild zu machen. Im März wollen die beiden sich nun treffen, um den nun erstmals aufgenommen Dialog weiterzuführen.
Der ganze Talk zum Nachschauen: