Steuerreform
Regierung will Besitzer von E-Autos entlasten – doch in acht Jahren zahlt die Mehrheit von ihnen mehr Verkehrssteuern

Bisher wird die Motorfahrzeugabgabe im Aargau aufgrund des Hubraums der Autos berechnet. Mit dem neuen Verkehrssteuergesetz, das für 2025 geplant ist, sollen Gewicht und Leistung entscheiden. Und die Regierung plant einen Rabatt für Elektroautos – wenn dieser ausläuft, ist die Belastung für deren Besitzer aber höher als heute.

Fabian Hägler
Drucken
Lenker wie Adrian Häfeli aus Sins, der vor vier Jahren auf ein Elektroauto umgestiegen ist, sollen im Aargau steuerlich entlastet werden.

Lenker wie Adrian Häfeli aus Sins, der vor vier Jahren auf ein Elektroauto umgestiegen ist, sollen im Aargau steuerlich entlastet werden.

Claudio Thoma

Schon heute ist fast jedes fünfte neu zugelassene Auto im Aargau elektrisch angetrieben – und künftig dürfte dieser Anteil noch steigen. Nicht nur weil immer mehr Käuferinnen und Käufer von sich aus auf Benzin- und Dieselfahrzeuge verzichten, sondern auch wegen einer ökologischen Reform bei der Fahrzeugsteuer im Aargau.

Der Regierungsrat will die heutige Motorfahrzeugabgabe durch eine Verkehrssteuer ersetzen und dabei E-Auto-Besitzer entlasten. «Mit einer befristeten ökologischen Tarifanpassung sollen effiziente und klimaschonende Antriebstechnologien gefördert werden», heisst es in der Mitteilung des Kantons zur neuen Verkehrssteuer, die am Freitagmorgen vorgestellt wurde.

«Das alte Gesetz stammt aus einer Zeit, als es nur Verbrennungsmotoren gab», sagte Verkehrsdirektor Stephan Attiger vor den Medien. Die neue Steuer solle unabhängig von der Antriebstechnologie für alle Fahrzeuge fair sein, hielt der Regierungsrat fest. Zudem soll die Verkehrssteuer ökologische Fahrzeuge fördern und dem Kanton keine Ausfälle in der Strassenkasse bringen – «das ist eine Herausforderung», sagte Attiger.

Elektroautos im bisherigen System zu hoch besteuert

Kantonsingenieur Dominik Studer.

Kantonsingenieur Dominik Studer.

Kanton Aargau / zvg

Die bisherige Motorfahrzeugabgabe wird bei den Verbrennern ausschliesslich aufgrund des Hubraums eines Autos bemessen. Für alle Fahrzeuge mit anderen Antriebstechnologien wird die Steuer mit Umrechnungsfaktoren berechnet. «Diese Umrechnung wurde aus heutiger Sicht zu hoch angesetzt und führt zu einer Benachteiligung von Elektro- und Hybridfahrzeugen», heisst es im Factsheet des Kantons.

Als neue Bemessungsgrundlage für Personenwagen schlägt der Regierungsrat die Kombination von Gewicht und Leistung vor, wie Kantonsingenieur Dominik Studer erläuterte. Diese Parameter sind im Gegensatz zum Hubraum technologieneutral, doch im Grundsatz werden damit E-Autos benachteiligt – aus zwei Gründen: Wegen der schweren Batterie ist ihr Gewicht hoch, zudem sind Elektroautos oft sehr leistungsstark.

Abzug bei Gewicht und Leistung für E-Autos

Diese technisch bedingten Benachteiligungen der E-Autos, die zu einer höheren Steuerbelastung führen würden, sollen mit Korrekturfaktoren beseitigt werden. Konkret sieht die künftige Verkehrssteuerberechnung so aus:

Gesamtgewicht bis 1400 kg: 90 Fr., für jedes Kilo mehr +8.5 Rappen.
Abzug für E-Autos: 20 Prozent / für Hybridautos: 10 Prozent.

Normleistung bis 60 kW: 90 Fr., für jedes kW mehr +1 Franken.
Abzug für E-Autos: 30 Prozent / für Hybridautos: 15 Prozent

Der Regierungsrat hält fest, mit einer ökologischen Ausrichtung der PW-Besteuerung sei der grösste Lenkungseffekt zu erzielen. Die Personenwagen machen rund 70 Prozent aller im Aargau eingelösten Fahrzeuge sowie rund 75 Prozent des Ertrags der Verkehrssteuer aus.

Steuerrabatt für Elektroautos in den ersten sechs Jahren geplant

Zusätzlich zu den Abzügen bei Gewicht und Leistung plant der Regierungsrat einen temporären Steuerrabatt für Hybridfahrer und E-Auto-Lenkerinnen. Nach der Einführung des Gesetzes (geplant per 1. Januar 2025) werden diese Fahrzeuge innerhalb der ersten drei Jahre (2025–2027) mit 50 Prozent und in den folgenden drei Jahren (2028–2030) mit 25 Prozent von der Verkehrssteuer entlastet.

Um dies auszugleichen, wird auf der Verkehrssteuer von Benzin- und Dieselautos eine Tariferhöhung von 2,7 Prozent vorgenommen, bei den Motorrädern beträgt die Tariferhöhung 2 Prozent. Sowohl der Elektrorabatt als auch die Verbrennererhöhung gelten für sechs Jahre, ab 2031 erfolgt die Berechnung der Verkehrssteuer ohne diese Massnahmen.

Wenn der Rabatt ausläuft, zahlt die Mehrheit der E-Autofahrer mehr

In den Unterlagen zur neuen Verkehrssteuer zeigt der Regierungsrat auf, wie viele Autobesitzer künftig mehr zahlen und wie viele Lenkerinnen finanziell entlastet werden. Im entsprechenden Factsheet heisst es: «Die neue Steuer führt für 3855 batterieelektrische PW zu einer geringeren Steuer und für 5139 zu einer höheren Steuer.» Dies wirkt widersprüchlich: Der Kanton will E-Autos entlasten, aber die Mehrheit dieser Fahrzeuge wird mit dem neuen System stärker besteuert?

Verkehrsdirektor Stephan Attiger.

Verkehrsdirektor Stephan Attiger.

Alex Spichale

Kantonsingenieur Dominik Studer sagt auf Nachfrage der AZ, bei dieser Berechnung sei der Rabatt für E-Autos von 50 bzw. 25 Prozent während jeweils dreier Jahre nicht berücksichtigt. Laut Roger Meier, Leiter Finanzen und Infrastruktur beim Strassenverkehrsamt, ist ein direkter Vergleich der Tarife schwierig, weil die Berechnungssysteme völlig unterschiedlich sind.

Doch die Frage bleibt: Warum zahlen 57 Prozent der Elektroautobesitzer im Jahr 2031, wenn die Rabatte ausgelaufen sind, mehr Steuern als heute? Regierungsrat Stephan Attiger sagt, Elektroautos hätten heute eine relative hohe Leistung. Die neue Verkehrssteuer stelle einen Anreiz für die Anbieter dar, E-Autos mit weniger Leistung auf den Markt zu bringen, und solle Käufer dazu animieren, diese Modelle zu kaufen. Die tiefere Leistung würde dann auch zu einer niedrigeren Verkehrssteuer führen.

Lohnt sich der Umstieg auf das E-Auto steuerlich überhaupt?

Doch lohnt sich der Umstieg vom Verbrenner auf das E-Autos steuerlich? Der Kanton stellt zwei Onlinerechner zur Verfügung, welche die bisherige Motorfahrzeugabgabe und die neue Verkehrssteuerbelastung kalkulieren. Die AZ macht den Vergleich: Ist es günstiger, den bisherigen VW-Golf-Benziner zu behalten, oder wäre ein Wechsel auf den vergleichbaren elektrisch angetriebenen VW ID.3 attraktiver?

Der Kanton hat in einer Liste für gewisse Modelle die bisherige und die neue Steuerbelastung berechnet. So bezahlt der Besitzer eines VW Golf VII 1.2 TSI 5 (Benziner, 1197 Kubikzentimeter Hubraum, 1720 kg Gewicht, 63 kW Leistung) heute jährlich 204 Franken Motorfahrzeugabgabe. Mit der neuen Verkehrssteuer wären es ab 2025 (inkl. Zuschlag von 2,7 Prozent für Verbrennungsmotoren) dann 216 Franken.

Rabatt macht ID.3 sechs Jahre lang attraktiver

Für den Golf ID.3 lässt die AZ die Steuerbelastung durch die Onlinerechner des Strassenverkehrsamtes bestimmen. Wir wählen das Modell Life Pro Performance, das eine Dauerleistung von 70 kW und ein Gesamtgewicht von 2260 kg aufweist. Die heutige Abgabe für den elektrischen VW beträgt demnach 228 Franken pro Jahr – 24 Franken mehr als beim benzinbetriebenen Golf.

Nur in den Jahren mit Rabatt ist ein elektrischer VW ID.3 steuerlich attraktiver als ein benzinbetriebener VW Golf.

Nur in den Jahren mit Rabatt ist ein elektrischer VW ID.3 steuerlich attraktiver als ein benzinbetriebener VW Golf.

zvg

Die reguläre Verkehrssteuerbelastung ab dem Jahr 2031 liegt gemäss Rechner für den ID.3 bei 260 Franken, wäre also 32 Franken höher als heute. In den Jahren 2025 bis 2027 (mit 50 Prozent Rabatt) beträgt die Steuer 130 Franken, in den Jahren 2028 bis 2030 (mit 25 Prozent Rabatt) sind es 195 Franken. Für diese gut vergleichbaren Modelle lohnt sich der Umstieg auf den E-Antrieb steuerlich also nur in der Rabattphase.

Steuerreform praktisch ertragsneutral – Geld fliesst in Strassenkasse

Die neue Bemessungsgrundlage nach Gewicht und Leistung soll auch für Motorräder, Nutzfahrzeuge und Wohnmotorwagen bis 3500 Kilogramm Gesamtgewicht sowie für Kleinbusse eingeführt werden. Die Besteuerung der schwereren Nutzfahrzeuge sowie der Transportanhänger nach Nutzlast soll hingegen unverändert beibehalten werden.

Gemäss den Berechnungen, die an der Medienkonferenz präsentiert wurden, ist die Reform praktisch ertragsneutral. Der Kanton rechnet damit, dass es einmalig innert sechs Jahren zu einem Minderertrag von zwei Millionen Franken sowie zu Mindereinnahmen von 200’000 Franken pro Jahr kommt.

Die öffentliche Anhörung zum Verkehrssteuergesetz dauert bis am 5. Mai, die erste Behandlung im Grossen Rat ist im Herbst vorgesehen. Wenn alles nach Zeitplan läuft, soll das neue Gesetz auf den 1. Januar 2025 in Kraft gesetzt werden.