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Als erster Aargauer hat Bruno Hufschmid den Mount Everest bezwungen. Dafür nahm er grosse Strapazen auf sich.
«Ich geniesse die Natur hier, es ist alles so grün und lebendig», sagt Bruno Hufschmid, nachdem er zwei Monate in Eis, Schnee und Kälte verbracht hat. Der 57-Jährige aus Bellikon sitzt mit braun gebranntem Gesicht im Büro seiner Gartenbaufirma in Fischbach-Göslikon. Er erzählt von seinen Erfahrungen und zeigt einige der knapp 2500 Bilder, die er in einem der lebensfeindlichsten Gebiete der Erde aufgenommen hat: Auf dem Mount Everest. Dort lernte er seine Grenzen kennen und realisierte, was Vergänglichkeit bedeutet. Hufschmid war nicht immer ein passionierter Bergsteiger, aber schon immer gerne in der Natur. «Aufs Klettern hat mich mein Sohn gebracht», erzählt er schmunzelnd. «Und nachdem wir zusammen den ersten Gipfel, den des Lenzerhorns, erklommen haben, hat mich das Fieber gepackt.» Das war im Jahr 2004. Seitdem nahm Hufschmid die Alpen in Angriff, dann den Kilimandscharo (5895 Meter), den Aconcagua (6962 Meter), den Cho Oyu (8188 Meter) und nun den Mount Everest – mit 8848 Metern Höhe das Dach der Welt. «Nach 36 Jahren Arbeit im eigenen Geschäft wollte ich noch etwas Grosses unternehmen. Das Bergsteigen ist für mich ein Ausgleich und der Everest das ultimative Ziel. Höher gehts nicht mehr.»
Fünf Jahre bereitete er sich physisch und psychisch auf den Aufstieg vor. Dann meldete er sich bei der europaweit bekannten Agentur Kobler & Partner für eine kommerzielle Expedition an. Anfang April war es soweit: Hufschmid und zwölf weitere Abenteurer, zwei Bergführer sowie 14 Sherpas standen am Fusse des Everests. Ein Moment, den er nie vergessen wird: «Nach fünf Jahren ging es endlich los, es war sehr emotional für mich.» Hufschmid war einer der Stärksten der Gruppe. Aber auch ihm machte der geringe Sauerstoffgehalt in der Luft zu schaffen. Ihn plagten Kopfschmerzen, Kurzatmigkeit, Appetitlosigkeit. Er nahm sechs Kilo ab, doch ans Aufgeben dacht er nie – und griff erst ab einer Höhe von 8000 Metern zur Sauerstoffflasche: «Ich habe einen starken Willen.» Eine unerwartet harte Konfrontation mit der Realität war der Tod von Ueli Steck. Hufschmid erzählt, er habe den Bergsteiger einmal persönlich kennen gelernt. «Er wollte unsere Gruppe besuchen und mit uns essen, stellte aber sein Programm um. Wir waren schockiert, als wir von seinem Tod erfuhren.»
Auch auf dem Berg wurde sein Team stetig mit dem Tod konfrontiert. Hufschmid sah auf dem Weg fünf Leichen verunglückter Bergsteiger. Die Bergung ist auf dieser Höhe sehr schwierig und mit Kosten von knapp 30 000 Franken für die meisten Angehörigen unbezahlbar. «Irgendwie muss man das verkraften», sagt Hufschmid. «Ich wusste, auf was ich mich einlasse, und es war mir klar, dass der Everest nicht mit einer Rigiwanderung zu vergleichen ist.» Das Expeditionsteam war bereits 17 Mal auf dem Berg und bezwang diesen auf der Nordseite. Die Wahl dieser Route hat verschiedene Gründe: «Auf der Südseite waren rund 600 Bergsteiger unterwegs, was lange und dadurch sehr gefährliche Wartezeiten verursacht. Auf der Nordseite kletterten nur 130.»
In dieser Saison starben insgesamt 19 Menschen am Everest, fünf am Nordhang und 14 am Südhang – ein schlagendes Argument für Bergsteiger, die den wachsenden Tourismus und vor allem die kommerziellen Expeditionen kritisieren. Hufschmid war selbst Teil einer solchen Gruppe, zahlte 60 000 Franken für die Erfüllung seines grössten Traums. Doch er differenziert sich von anderen Bergsteigern: «Ich habe indische Teams gesehen, von denen die meisten am Mount Everest das erste Mal Steigeisen benutzten.» Dass man völlig unerfahrene Menschen für die Expeditionen zulasse, hält Hufschmid für grob fahrlässig. «Ich bin dafür, dass jeder Teilnehmende einen Eignungstest absolvieren muss.»
Seine Vorbereitungen und intensive Trainingseinheiten brachten Hufschmid schlussendlich auf den Gipfel: «Um zehn Uhr nachts starteten wir», erzählt er. «Die letzte Etappe dauerte sechs Stunden, das Wetter war sehr schlecht. Es schneite und ein starker Wind wehte.» Nur 20 Minuten verbrachte Hufschmid auf dem Gipfel, denn die Aussicht war schlecht. «Natürlich freut man sich, wenn man es bis nach oben geschafft hat. Aber für mich ist der Berg erst bezwungen, wenn ich wieder ganz unten bin.» Der Abstieg war gefährlich, denn der Neuschnee begrub die Sicherungen unter sich. «Und an den Seiten drohte ein Abgrund von 2000 Metern. In diesen Momenten ist man unglaublich konzentriert, überdenkt jeden Schritt genau.» Hufschmid und seine Mitreisenden überstanden die Expedition, abgesehen von vereinzelten Erfrierungen im Gesicht, unbeschadet.
Seit zwei Wochen ist er wieder daheim. Ganz angekommen ist er aber noch nicht: «Genauso wie ich mich am Berg akklimatisieren musste, muss ich mich auch hier erst wieder anpassen.» Aber er plant schon seine nächsten Expeditionen. Sein Ziel ist es, die «Seven Summits», also die höchsten Berge der sieben Kontinente, zu besteigen. Und auch die 45 in der Schweiz gelegenen Viertausender stehen auf seiner Liste – 38 hat er bereits.