Finanzen
Regierung will Schuldenbremse weiter entwickeln – SVP findet die Vorlage «desaströs»

Der Regierungsrat will die Schuldenbremse neu ausrichten und weiter entwickeln. Es bestehe sonst die Gefahr, dass strategisch wichtige Investitionen in die Zukunft verschoben und von der nächsten Generation bezahlt werden müssten.

Mathias Küng
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Finanzdirektor Markus Dieth.

Finanzdirektor Markus Dieth.

Britta Gut

Das Gesetz über die wirkungsorientierte Steuerung von Aufgaben und Finanzen (GAF) soll revidiert werden. Die primäre Zielsetzung ist eine Optimierung und Weiterentwicklung der aufgabenseitigen und – in erster Linie – finanziellen Steuerungsmöglichkeiten des Regierungsrats und des Grossen Rats.

Neuausrichtung der Schuldenbremse

«Kern der Vorlage ist die Neugestaltung der Schuldenbremse. Diese hat sich zwar in der Vergangenheit grundsätzlich bewährt, doch bestehen in verschiedener Hinsicht Optimierungsmöglichkeiten», so Finanzdirektor Markus Dieth. «Die Zielsetzung bei der Neugestaltung besteht darin, die Vorteile und Wirksamkeit des heutigen Modells zu erhalten, gleichzeitig aber erkannte Mängel zu beheben und insbesondere unnötige Restriktionen zu entschärfen», so Dieth.

So bestehe mit dem heutigen Modell eine Gefahr, dass strategisch wichtige Investitionen in die Zukunft verschoben und von der nächsten Generation bezahlt werden müssen. Das sei nicht nachhaltig und daher zu hinterfragen. Aufgrund dieser Problematik hat der Grosse Rat für Immobiliengrossvorhaben, wie zum Beispiel neue Mittelschulen, ein eigenes Finanzierungsmodell beschlossen. In Erwartung, dass mit der GAF-Revision eine gesamtheitliche Auslegeordnung und Überprüfung der Schuldenbremse vorgenommen wird, hat der Grosse Rat dieses Finanzierungsmodell auf Ende 2023 befristet.

Exot im interkantonalen Vergleich

Schliesslich sei die Ausrichtung der Haushaltsteuerung an der Finanzierungsrechnung untypisch und daher wenig verständlich. Markus Dieth weiter: «Die Privatwirtschaft, die Gemeinden und demnächst auch der Bund steuern über die Erfolgsrechnung und Bilanz. Der Aargau sei insofern ein ‹Exot› im interkantonalen Vergleich und sein Steuerungsmodell daher stets erklärungsbedürftig. Eine Harmonisierung ist daher angezeigt.»

Zu hohe Neuverschuldung verhindern

Anstelle der Finanzierungsrechnung, die heute die massgebende finanzpolitische Steuergrösse darstellt, soll deshalb neu – wie in den meisten Kantonen und bei den Gemeinden – die Erfolgsrechnung massgebend sein für die Haushaltsteuerung. Um eine zu hohe Neuverschuldung aus der Investitionstätigkeit zu vermeiden, wird eine Zielvorgabe für einen mittelfristig ausreichenden Selbstfinanzierungsgrad definiert und gesetzlich verankert (doppelte Schuldenbremse).

Mit einem Selbstfinanzierungsgrad von 80-100 Prozent könne eine auf die Dauer stabile Verschuldungsquote sichergestellt werden, heisst es an einer Medienkonferenz der Regierung. Die neue Schuldenbremse basiere auf den Grundprinzipien «mittelfristiger Haushaltsausgleich» und «Begrenzung der Verschuldung». Damit werde das Konzept einer sogenannten doppelten Schuldenbremse umgesetzt; die Grundsätze werden auf Verfassungsstufe verankert.

«Mittelfristige Ausrichtung verschafft mehr Transparenz»

Die finanzpolitische Steuerung soll sich stärker auf eine mittelfristige Planperiode ausrichten als bisher. Dadurch sollen konjunkturelle Schwankungen wie auch Sonderfaktoren besser berücksichtigt und verdeckte strukturelle Defizite frühzeitig erkannt werden können. Die Finanzlage werde dadurch transparenter gemacht. Die Sanktionsregel der Schuldenbremse orientiert sich neu am Bilanzfehlbetrag. Abtragungen sind nur solange vorzunehmen respektive im Budget und in den Planjahren einzuplanen, wie ein Bilanzfehlbetrag besteht.

Das besagen erste Reaktionen von Parteien

Bisher liegen der Redaktion Reaktionen von SVP, FDP, Die Mitte und GLP sowie von der Aargauischen Industrie- und Handelskammer (AIHK) vor.

Die SVP schreibt, einzig die gut funktionierende Schuldenbremse habe ermöglicht, dass der Aargau einen kleinen Handlungsspielraum zur Bewältigung der laufenden Krise hat. SVP-Finanzpolitiker Christoph Hagenbuch schreibt, die «schönfärberischen Beschwichtigungen» könnten nicht darüber hinwegtäuschen, dass sie faktisch abgeschafft wird!» Das Projekt gehöre sofort gestoppt.

Die FDP unterstützt derweil die Massnahme, statt der Finanzierungsrechnung neu die Erfolgsrechnung als massgebende finanzpolitische Steuergrösse für die Haushaltsteuerung einzusetzen. Präsident Lukas Pfisterer hält aber fest, für eine Aufweichung der Schuldenbremse biete die FDP keine Hand: «Wenn die Regierung an dieser Vorlage unverändert festhält, wird die FDP sie ablehnen.»

Die Mitte beurteilt die Revision auf den ersten Blick als abgerundet und sinnvoll. Die wohlwollende Sicht müsse aber der Detailprüfung erst noch Standhalten – dies werde sich zeigen.

Die GLP steht im Grundsatz einer Revision positiv gegenüber. Sie schätzt es, dass die Regierung versucht hat, eine langfristigere Finanzperspektive zu erhalten. Die Ziele der Neuregelung der Schuldenbremse seien grundsätzlich richtig.

Die AIHK begrüsst zwar Vereinfachungen und Optimierungen, ist aber klar «gegen eine Abschwächung der Schuldenbremse». (mku)

Darum geht es in diesem Gesetz

Das Gesetz über die wirkungsorientierte Steuerung von Aufgaben und Finanzen (GAF) regelt Verschiedenes: Nämlich die Planung, Steuerung und Berichterstattung der Aufgabenerfüllung und Finanzen, die Verpflichtungskredite und Finanzreferenden, sowie die Grundsätze der Rechnungslegung und des Rechnungswesens.