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Grossratskandidatin Karin Müller aus Windisch kennt die Kantonsverwaltung dank Ex-Regierungsrätin Franziska Roth.
Karin Müller ist erst seit ein paar Monaten FDP-Mitglied. Obwohl sie mit der Politlandschaft im Mittelland seit Jahren vertraut ist, tat sie sich schwer mit der Parteiwahl. Ihr Vater Willy war früher SP-Mitglied und wurde als Gemeindepräsident von Oensingen SO sogar von der FDP portiert.
Und als selbstständige Kommunikationsberaterin führte sie schon Medientrainings mit Politikerinnen und Politikern jeder Couleur durch. Nachdem die SVP Aargau 2016 entschieden hatte, mit Franziska Roth einen Sitz im Regierungsrat zu holen, half Karin Müller beratend während des Wahlkampfs mit.
Jetzt steht Karin Müller, die seit sechs Jahren in Unterwindisch lebt, selber im Wahlkampf. Die 56-Jährige kandidiert auf dem letzten FDP-Listenplatz für einen der zehn Grossratssitze, die dem Bezirk Brugg ab 2021 zustehen.
Für die Liberalen entschied sie sich, weil ihr das freiheitliche Denken sowie der Blick über die Grenze wichtig sind und die FDP ein fortschrittliches Frauenbild vertritt. «Ich bin aber nicht einfach die Ja-Sagerin einer Partei», stellt sie klar. Müller kann etwa nicht verstehen, dass sich die FDP aktuell gegen den Vaterschaftsurlaub ausspricht.
In der ersten Jahreshälfte hatte Karin Müller als Sympathisantin der FDP Kontakt mit Bezirksparteipräsident Willi Wengi. Bei einer Versammlung mit den Grossratskandidaten kam sie als Zuhörerin und ging – zu ihrer eigenen Überraschung – als Grossratskandidatin.
Möglich war das nur, weil jemand kurzfristig von der Liste sprang. Grossrätin Martina Sigg zögerte nicht und fragte die Windischerin an, ob sie auf dem zehnten Listenplatz kandidieren würde. Ja, Müller wollte. «Man sollte nicht nur stets mehr Frauen in der Politik fordern, sondern sich auch trauen, öffentlich Verantwortung zu übernehmen», sagt die ehemalige Journalistin, die sich selber als entscheidungsfreudig bezeichnet.
Das neue FDP-Mitglied verfügt über viel Lebenserfahrung – auch im Kanton Aargau. Müller ist in Menziken geboren. Sie besuchte den Kindergarten in Suhr, während ihrer Servicefachlehre im Hotel Du Parc die Berufsschule in Baden und später die Handelsschule Limania in Aarau.
Wenn Karin Müller etwas anpackt, ist sie stets mit viel Herzblut dabei. Sei dies wie Mitte der Achtzigerjahre als Sekretärin auf der Schweizer Botschaft in Moskau, als Fachbuchautorin (Professionelle Medienarbeit für Ärzte und Spitaldirektoren), als Journalistin oder als Mediensprecherin. «Mein Leben war wild», schreibt sie auf Facebook.
Karin Müller ist geschieden. Ihren Ehemann hatte sie im Rahmen der Berichterstattung über den Brüttiseller Chilbi-Mord kennen gelernt. Eine defekte Kamera zwang die damalige Blick-Polizeireporterin, einen Berufskollegen vom «Anzeiger von Uster» um Hilfe zu bitten. Fünf Jahre später heiratete sie ihren Retter in Not. «Im verflixten siebten Jahr haben wir die Beziehung beendet.»
Hartnäckigkeit, Ehrlichkeit und Pragmatismus zeichnen die Grossratskandidatin aus, sagen Weggefährten. Im Kantonsparlament würde sich Müller unter anderem für eine starke Regionalpolizei engagieren und sich gegen eine Kantonspolizei-Lösung aussprechen.
Wichtig ist ihr auch, dass Menschen ab 50 im Beruf nicht ausgegrenzt werden. Deshalb engagiert sie sich ehrenamtlich als Mentorin «Tandem 50plus Aargau». Momentan begleitet sie eine Fricktalerin mit Berufserfahrung in der Pharmabranche, die seit eineinhalb Jahren auf Stellensuche ist und der die Sozialhilfe droht.
«Dieses Ehrenamt bedeutet mir viel, denn nach der Zeit als Kommunikationsleiterin bei Regierungsrätin Franziska Roth war ich selber drei Monate arbeitslos», erzählt Karin Müller. Vor knapp einem Jahr hat sie eine neue 80%-Stelle als Mediensprecherin bei einer Krankenversicherung angetreten.
Dass sie dem Ruf von Franziska Roth ins Departement Gesundheit und Soziales (DGS) gefolgt war, bereut Karin Müller nicht. «Ich habe mein Bestes gegeben. Es war eine Chance für mich als Beraterin. Dort lernte ich auch die Arbeit des Grossen Rats aus der Sicht des Departements kennen und schätzen», sagt die ehemalige Leiterin Kommunikation.
«Der Politik- und Kommunikation-Mix gefiel mir sehr gut.» Gerne würde sie sich als Politikerin in der Kommission Gesundheit und Sozialwesen einbringen. Unnütze Vorstösse bezeichnet Karin Müller als Beschäftigungstherapie für die Departemente.
Sie findet es zwar richtig, dass Parlamentarier der Regierung und der Verwaltung auf die Finger schauen, würde eigene Vorstösse jedoch mit Bedacht einreichen. Müller ist sich bewusst, dass Politik viel Standfestigkeit erfordert. «Damit das gelingt, muss man sich seiner grösseren Lebensthemen bewusst sein und wissen, wie man mit ihnen umgeht», sagt sie.
Die FDP-Grossratskandidatin weiss, wovon sie spricht. «Nach acht Jahren Ausbeutung meiner Selbst suchte ich komplett ausgebrannt meinen Hausarzt auf. Was ich brauchte, war absolute Ruhe, Zeit für mich und die vielen Gedanken», schreibt Karin Müller über eine schwierige Lebensphase auf der Website www.notruf-burnout.ch.
Das sei vor über zehn Jahren gewesen, als sie als Kommunikationsberaterin selbstständig war und zu viele Mandate betreute. Nach einer längeren Ruhephase hatte sie ihr Selbstvertrauen zurückgewonnen und ihr Leben neu organisiert. Müller liess sich wieder anstellen, aber nicht zu 100%. Sie besorgte sich einen Hund, mittlerweile sind es zwei kleine Windhunde.
Mit Pauli, 11, und Zurya, 5, geht sie oft entlang der Reuss, am Hallwilersee oder auf dem Birrfeld spazieren. Dabei kann die FDPlerin ihre Gedanken ordnen und Energie tanken. Sollte es mit ihrer Wahl in den Grossen Rat nicht klappen, kann sie sich vorstellen, nächstes Jahr für den Einwohnerrat Windisch zu kandidieren.