Die Beschwerdekammer in Strafsachen des Obergerichts des Kantons Aargau hat Ausstandsgesuche von einem Ehepaar gutgeheissen.
Vor einem Jahr, am 15. März 2021, erhob die Staatsanwaltschaft Brugg-Zurzach beim Bezirksgericht Brugg Anklage gegen ein Ehepaar. Der Gatte A wurde angeklagt: wegen mehrfacher sexueller Nötigung von E, Tochter von As früheren Partnerin D; wegen mehrfacher sexueller Handlungen mit Kindern zum Nachteil von E und C; wegen versuchter sexueller Handlung mit Kindern zum Nachteil von C sowie mehrfacher Freiheitsberaubung von C und E. C ist die gemeinsame Tochter von A und dessen früherer Partnerin.
Der letzte Anklagepunkt gilt auch für A’s heutige Ehefrau B. Anfang dieses Jahres machte der Gerichtsschreiber die Parteien auf den Umstand aufmerksam, dass die im vorliegenden Verfahren als Bezirksrichterin amtende Susanne Baumgartner die Privatklägerin C in der ersten Oberstufenklasse als Lehrperson unterrichtet habe, bis C in eine Klinik eingetreten sei.
Die Bezirksrichterin erachte sich indessen nicht als voreingenommen und verzichte auf ein Ausstandsgesuch, hielt der Gerichtsschreiber weiter fest. Damit waren die Beschuldigten allerdings nicht einverstanden. A beantragte am 22. Januar 2022, dass Bezirksrichterin Susanne Baumgartner in den Ausstand zu treten habe; unter Kosten- und Entschädigungsfolge zulasten des Staates. Drei Tage später machte B die gleiche Eingabe.
Die Präsidentin des Bezirksgerichts Brugg überwies die beiden Ausstandsgesuche daraufhin an die Beschwerdekammer in Strafsachen des Obergerichts des Kantons Aargau. Vor wenigen Tagen wurde nun der Entscheid der Beschwerdeinstanz im Internet publiziert.
Darin steht, dass die Ausstandsgesuche von A und B gegen Bezirksrichterin Susanne Baumgartner gutgeheissen und die Verfahrenskosten auf die Obergerichtskasse genommen werden. Das heisst: Die Brugger Bezirksrichterin wird beim noch bevorstehenden Prozess nicht im Einsatz stehen.
In der Erwägung schreibt die Beschwerdekammer, dass die Besetzung des Bezirksgerichts Brugg den Parteien schon in der Vorladung vom 16. April 2021 bekannt gegeben worden sei. A respektive B machten aber geltend, dass nicht erkennbar oder ihnen bewusst gewesen sei, dass Susanne Baumgartner Privatklägerin C unterrichtet habe.
Aus Sicht der Gesuchsteller besteht aufgrund der persönlichen Nähe und des Vertrauensverhältnisses, das Schüler zu ihren ehemaligen Lehrpersonen haben, «zumindest der Anschein der Befangenheit». Im vorliegenden Fall sei besonders problematisch, dass Bezirksrichterin Baumgartner C in einem Jahr unterrichtet habe, der in den im Fall umschriebenen Deliktzeitraum falle. Es bestehe die Gefahr, dass die Erfahrung der Lehrerin – als prozessfremdes Wissen – in die Urteilsfindung einfliessen könnte, was für die Parteien nicht überprüfbar sei.
In ihrer Stellungnahme erwähnte Baumgartner, dass C vor einigen Jahren höchstens ein halbes Jahr in ihrer Klasse gewesen sei und sie keinen speziellen «Draht» zu ihr gehabt habe.
Aus Sicht der Beschwerdekammer bestand im vorliegenden Fall dennoch ein Vertrauensverhältnis zwischen dem mutmasslichen Opfer und der früheren Lehrerin, zumindest in pädagogischer Beziehung.