Auf dem Bözberg wird Ende März über die Initiative «Unsere Adressen behalten» entschieden. Die Aargauer Zeitung schildert, wie die Gemeinde Bühler in Appenzell Ausserrhoden mit dem Kampf um die Neuadressierung umgegangen ist.
Das Chaos ist komplett. In der Gemeinde Bühler spielt es schon lange keine Rolle mehr, ob die alte oder neue Adresse verwendet wird - die Post kommt so oder so an.
«Ich habe die Adresse für unser Geschäft in den letzten drei Jahren bereits dreimal gewechselt», sagt Jsabelle Meier. Die Leiterin des Mercato-Shops am Bahnhof Bühler wohnt selber in Trogen.
Dort ging die Neunummerierung mit Adressänderungen im Dorfkern vor Jahren problemlos über die Bühne. «Die Flurnamen blieben erhalten», so Meier und ergänzt: «Hier im Shop fragen viele Chauffeure nach dem Weg, weil sie die Adresse nicht finden.»
Die Shop-Adresse musste mehrmals geändert werden, weil die Hausnummer im Zuge der Bereinigung angepasst werden musste (siehe Box).
Der Streit um die Neuadressierung in der Gemeinde Bühler AR hat sich seit Oktober 2009 hingezogen. Ziel ist, dass sich Ortsunkundige und Blaulichtorganisationen künftig leichter zurechtfinden. Damals hatte der Gemeinderat nach anderthalbjähriger Vorbereitung über die neuen Adressen informiert. Trotz eines Aufrufs hatte die Bevölkerung im Vorfeld nicht in der Arbeitsgruppe mitwirken wollen. Gegen die Neuadressierung regte sich Widerstand. Der Gemeinderat hielt aber an der Einführung per Juni 2010 fest. Die Gegner bekämpften die neuen Adressen mit Petitionen, Rekursen und einer Volksinitiative. Ihnen stiess sauer auf, dass die historischen Flurnamen den offiziellen Charakter verlieren sollten. Im Oktober 2010 hiess das Departement Bau und Umwelt die Rekurse gut. Die Gemeinde hätte den Rekurrenten eine Parteienentschädigung bezahlen müssen. Gegen diesen Entscheid reichte die Gemeinde Beschwerde beim Obergericht ein, bildete aber gleichzeitig eine neue Arbeitsgruppe. Gegen die neuen Adressvorschläge dieser Arbeitsgruppe wurde nicht mehr opponiert. Formell sei der Adress-Streit mit der Inkraftsetzung per 1. Januar 2013 abgeschlossen, sagt Gemeindepräsidentin Inge Schmid. Der Einzelrichter des Ausserrhoder Obergerichts hat am 11. Februar 2013 beschlossen, das Verfahren infolge Gegenstandslosigkeit abzuschreiben. Das Departement Bau und Umwelt sei im Oktober 2011 zu Unrecht auf die Rekurse eingetreten, weshalb die Parteienentschädigung von 1000 Franken ebenfalls aufzuheben sei, heisst es im Gerichtsentscheid. Die Anwaltskosten von rund 5000 Franken trägt die Gemeinde. Die Gerichtskosten von 1200 Franken werden den vier Beschwerdegegnern zu gleichen Teilen auferlegt. Für die Rekurrenten bleibt der Gang zum Bundesgericht als Option. (AZ)
Strassenschilder seit 2010 bereit
Die neuen Strassenschilder und Hausnummern warten in Bühler seit 2010 auf die Montage. Alle Schilder werden aber nicht zum Einsatz kommen. Der Gemeinderat sei pragmatisch an die Neuadressierung herangegangen, sagt Gemeindepräsidentin Inge Schmid später in ihrem Büro.
«Adressen sind eine emotionale Geschichte. Diesen Aspekt haben wir im Gemeinderat allerdings etwas unterschätzt», so die SVP-Politikerin. Die attraktive Bäuerin ist seit 2002 Mitglied des Gemeinderats und steht der 1600-Seelen-Gemeinde seit 2004 als Präsidentin vor.
An der Wand in ihrem Büro hängt ein grosser Ortsplan mit farbigen Strassenbezeichnungen. «Wenn ich wieder vor der gleichen Situation stünde, würde ich den Ball von Anfang an der Bevölkerung zuspielen und die Arbeitsgruppe vom Gemeinderat abkoppeln», zieht die Gemeindepräsidentin nach vier Jahren Adress-Streit Bilanz.
«Entscheiden soll die Bevölkerung und wir vom Gemeinderat führen dann aus.»
«Denn, wer ändert schon gerne die Adresse? Das ist mit viel Aufwand und Kosten verbunden», räumt Schmid ein. «Aber es geht um die eindeutige Auffindbarkeit - insbesondere in Notfällen.»
In Bühler gab es bisher verschiedene Orte mit dem gleichen Flurnamen «Weid». Einer dieser Bewohner ist Alfred Meier.
Einsatz für Flurnamen
Am Bahnhof treffen wir Alfred Meier. Mit dem weissen Vollbart entspricht er unseren Vorstellungen eines typischen Appenzellers. Er weist uns an, seinem blauen Suzuki auf der früheren Haupt- und heutigen Dorfstrasse zu folgen.
Wenige Minuten später treffen wir uns an einem Tisch in einem Ingenieurbüro wieder. Christian Weiss holt Kaffee. Der Ingenieur setzte sich in der neuen Arbeitsgruppe für den Erhalt der Flurnamen sowie ein neuartiges Nummerierungssystem in den Hauptaussengebieten ein.
«Wir haben schöne Flurnamen. Hinter jedem Namen steckt eine Geschichte», so Weiss, der sich daran störte, dass alle Gebäude zwingend eine Strassenbezeichnung brauchen.
Bei der gefundenen Lösung gilt der Grundsatz, möglichst viele Flurnamen zu erhalten. Weiss musste feststellen, dass die Arbeitsgruppe sich ebenfalls als die «Adressmacher» sah und kleinste Wünsche von Anwohnern nicht übernehmen wollte.
Adressänderungen müssen begründet werden
Er ist der Meinung, dass Adressänderungen den Bewohnern begründet werden müssten und nicht umgekehrt begründet werden muss, warum jemand eine Strassenbezeichnung ablehnt.
Mit dem neuen Kompromiss können Weiss und Meier leben. Dass eine fortlaufende Nummerierung Sinn macht, stellten sie nicht infrage. «Es gab zwei, drei Fälle in der Vergangenheit, in denen Blaulichtorganisationen die Leute nicht auf Anhieb fanden», erzählt Meier.
Diese Gefahr bestehe bei Adressänderungen ebenfalls, da Navigationsgeräte nicht auf Knopfdruck umgestellt werden.
«Unsachgemässe Umsetzung»
Die Ehefrau von Christian Weiss stösst später zu unserer Gesprächsrunde. Elsbeth Weiss war zwischen Juni 2011 und August 2012 Mitglied des Gemeinderats.
Sie trat damals auf einer Fünfer-Liste gegen Gemeindepräsidentin Schmid an. Seit ihrem vorzeitigen Rücktritt ist der Sitz vakant. «Das Dorf ist gespalten und zerrissen», sagt Elsbeth Weiss.
Es sei ein Fehler gewesen, nicht auf die Petition für eine regional eingebettete Adressierung einzugehen. Änderungen sollten generell nach dem Prinzip «so wenig wie möglich, so viel wie nötig» vorgenommen werden, sagt sie.
Es wurde nie bestritten, dass die Durchnummerierung im Dorfkern Sinn macht. Aber aus dem Flurnamen «Mempfel» eine «Mempfelstrasse» zu machen, wäre nicht nötig gewesen», sagt die ehemalige Gemeinderätin.
Problem mit der Adressierung kann wiederkehren
Die verlangte Registerharmonisierung sei falsch verstanden und zu einer Neuadressierung mutiert, die unsachgemäss und unkoordiniert umgesetzt worden sei, fasst sie das absehbare Ende des Adress-Streits zusammen.
«Das Problem mit der Adressierung kann ja immer wieder auftauchen, vielleicht fusioniert auch die Gemeinde Bözberg eines Tages mit einer weiteren Gemeinde», sagt Christian Weiss.
«Bei einer allfälligen Fusion von Bühler mit der Gemeinde Teufen würde ich mich auf jeden Fall für den Erhalt des Ortsnamens und der Postleitzahl einsetzen.»
Im Frühling sollen nun die Strassen in Bühler neu beschildert und die Hausnummern angebracht werden. Diese Umsetzung wird mit den Flurgenossenschaften abgesprochen. «Die korrekte Beschilderung ist für alle eine grosse Erleichterung», sagt Jsabelle Meier vom Shop.