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Im Kampf gegen den Nebel im Mittelland verwandelt die Künstlerin Silja Coutsicos ihr Haus. Die einstige Lotterhütte wird von den Schönenwerdern jetzt «Hundertwasser von Schönenwerd» genannt
«Das Haus hat vier Jahre leer gestanden und war total verkommen», erinnert sich Silja Coutsicos ans Jahr 1994, als die Familie Coutsicos das Haus an der Aarauerstrasse 45 erstand. Nun sticht es heraus im Quartier, obwohl noch nicht fertig. Da sind noch Mosaikteile zu verfugen, und dort harren untere Fassadenteile der Gestaltung. Die 54-jährige Lehrerin und Künstlerin arbeitet nach Plan. Was verspielt aussieht, folgt einer Idee, einem Konzept: «Nicht fix, aber in den Grundzügen.»
«Der Nebel tat mir nicht gut», sagt sie. Grau mache depressiv. Die Farbe sollte Licht ins Haus bringen. Die Farben der Kykladen, einer griechischen Inselgruppe, wo die Familie immer den Sommer verbrachte, versuchte sie mit dem ersten Zimmer einzufangen: blau. Das war der Startpunkt ihres Werks und Motivation: «Jetzt ziehe ich das durch!» Jedes Zimmer sollte eine andere Farbe erhalten. «Ich hätte nie 16 Fensterrahmen weiss malen können», sagt sie. Sie nahm scheele Blicke und Reklamationen in Kauf. Das ist jetzt, wo sie als «Hundertwasser von Schönenwerd» gilt, vorbei.
Bis vor zwei Jahren sei das Haus von aussen als Lotterhütte wahrgenommen worden, sagt Silja Coutsicos, geborene Anderegg: «Wenige nur wussten vom Innenleben.» Das erste Mosaik legte sie im Badezimmer: «Da hatte ich nur weisse Plättchen zur Verfügung, und keine Spiegelteile.» Aber Quadrat und Rechteck vermied sie schon damals. Runde, organische Formen herrschen vor. Das gilt auch für die Fassaden, die vor zwei Jahren an die Reihe kamen. Mosaikreliefe, das ist ihr Markenzeichen. Sie zeigt alte Pläne, Skizzen. Heute ist das Haus nahezu fertig, ein Gesamtkunstwerk. Ihr «Nistplatz für einen exotischen Vogel», wie sie es nennt.
Jeder Wand sind eine Jahreszeit und ein Element zugeordnet. Die Front ist in einem warmen Rot gehalten: Sommer und Feuer. Die Spiegelflammen glitzern im Sonnenlicht. Auf der Gegenseite ist der Norden, violett, dem Winter und der Erde zugewiesen. Und ganz oben unter dem Dach hängt eine morbide Katze: Die Beine sind Knochen.
Die Ostfassade mit der Grundfarbe Gelb ist dem Frühling und dem Element Luft gewidmet, derweil im Westen blaugrün, Wasser und Herbst thematisiert werden. Für den Lebensbaum habe sie einen Winter lang nur getöpfert. «Das Eisengeländer mit den sieben Todsünden hat Nik Walther aus Staffelbach gemacht», sagt sie. Es brauche den Goodwill vieler Leute, um so etwas zu machen. Kunsthandwerkende, Freunde, aber vor allem auch ihre Söhne, haben Silja Coutsicos geholfen, sei es bei der Kupferarbeit beim Drachen an der Dachecke oder beim Vergolden. Und die Fensterläden stammen aus Vietnam. «Ich habe in den Ferien dort zufällig Tempelschnitzer kennen gelernt; sie haben mir nach meinen Plänen diese Läden in den vier Jahreszeiten geschnitzt», sagt sie.
Der Sockel rund ums Haus ist noch nicht ganz fertig. Das Zusammentragen des Materials braucht Zeit, Geduld, wie das Mosaik selbst. Wer genau hinsieht, kann um die Kellertüre herum Grussworte in verschiedenen Sprachen entdecken. Und der Tod bricht eben eine Blume. Man kann nach Symbolen suchen oder sich schlicht an der Verspieltheit erfreuen, wie es wohl die Schulklassen tun, wenn sie das Haus besuchen.
Silja Coutsicos unterrichtet an der Primarschule Schöftland und hat dort zusammen mit Schülern und Lehrpersonen bleibende Spuren hinterlassen: Sitzgelegenheiten à la Niki de Saint-Phalle, Unterführung Holziken, Brocki, Turnhalle, Schulhaus, Bibliothek. Das hat der Schule Schöftland 2007 die Auszeichnung «Funkenflug» des Bildungsdepartements eingetragen. Als Kunstpiraten haben ihre Schüler zudem bei Privathaushalten Mosaike gemacht. Die Künstlerin – sie malt auch Bilder – hat sich ihre Kunst selber beigebracht: «Ich lerne durchs Tun, auch in Projekten mit den Kindern.»
Weitere Arbeiten wie ein Brunnen oder ein Swimmingpool sind unter anderem in Biberstein, Stein-Säckingen, Härkingen, Seon zu finden. Die Mosaike in der Cafébar You in Oftringen oder der Zwerg von Muri am Freiämter Sagenweg gehören ebenfalls zu ihren Werken.