Je bunter der Teller, desto besser, sagt Felix Bertram.
Dieser Sommer war wieder ein Fest des Schlemmens. Es beginnt mit dem Aarauer Maienzugvorabend im Juli und endet mit der Badenfahrt im August. Das sind tolle Feste, das Wetter war perfekt in diesem Jahr – Zeit mit Freunden zu verbringen macht Spass und ist etwas vom Wertvollsten. Man schmiedet Zukunftspläne und schwärmt von alten Zeiten.
Wer aber kulinarisch auf vergangene Zeiten steht, dem wird es zunehmend schwer gemacht. Die gute alte Bratwurst und Pommes Frites muss man bald unter Artenschutz stellen. Chaisamen Smoothies, Goojibeeren Glacé; Fajjtas mit Avocado und Drachenfrucht – all das ist schwer angesagt, läuft unter dem Trendbegriff «Superfood» - Lebensmittel mit angeblich riesigem Vitamin- und Nährstoffgehalt und wahnsinnig tollen Effekten auf Gesundheit und Schönheit. Wenn sich dieser Trend auf Strassenfeste beschränken würde, könnte man es ja noch unter «interessante kulinarische Abwechslung» verbuchen; allerdings sieht es bei Migros oder Coop nicht viel anders aus.
Allerlei Lebensmittel tragen Namen, die so klingen wie seltene Darmerkrankungen auf polynesisch. In der Takeaway-Auslage für den frischen und schnellen Lunch (auf schwiizerdütsch: Zmittag) findet sich Edamame; Sushi-Sandwich in Algenblätter gewickelt; Humusbällchen mit Falafel-Irgendwas. Dass dieses ganze Superfood oft vom anderen Ende der Welt eingeflogen wird und somit gar nicht so nachhaltig super ist, wie dem umweltbewussten Konsumenten weisgemacht werden soll, ist an dieser Stelle lediglich ein Nebenaspekt.
Wenn ich an meinen freien Sonntagen mit den Hunden so durch die Natur laufe, dann frage ich mich vielmehr, ob nicht auch auf Aargauer Feldern Superfood wächst? Zum Beispiel Kohl und das daraus hergestellte, unpasteurisierte Sauerkraut oder ungespritzter Salat: Beide wirken wie natürliche Pro- und Präbiotika, die unsere kaputte Darmflora reparieren und sich gleich noch günstig auf den Fettstoffwechsel auswirken. Aber auch Nüsse, vor allem Walnüsse, sind sehr gesund, denn sie beinhalten einen guten Mix an Mineralstoffen, Vitaminen und Omega-3-Fettsäuren. Für eine glatte Haut sorgt die in der Walnuss enthaltene Pantothensäure.
Alle wichtigen Vitamine, Spurenelemente oder essenziellen Fettsäuren, die für unseren Organismus und unsere Haut so wichtig sind, finden sich im Pflanzenpigment von Obst und Gemüse. Daher rate ich auf den ausreichenden Verzehr von bunten Pflanzenfarbstoffen zu achten. Bei Obst und Gemüse erkennt man sie sehr einfach anhand der bunten Farben. Ob rote oder orange Paprika, gelbe Zucchini oder Brokkoli – je bunter der Teller, desto besser. Findet sich alles sprichwörtlich in bunter Vielfalt in all den schönen Gmües-Hüüsli, die es in nahezu jedem Aargauer Dorf gibt. Mindestens zweimal pro Woche halte ich am Märthüsli in Möriken und erfreue mich an der grossen Gemüsevielfalt, den Kräutern und den bunten Blumen. Man unterstützt den lokalen Bauern und tut seiner Gesundheit noch was Gutes.
Die Brennessel und der Löwenzahn sind richtige Vitaminbomben – und gratis noch dazu. Auch Tomaten sind super, da sie den Stoff Lycopin enthalten. Dabei handelt es sich um einen sehr effektiven Radikalfänger, also ein Antioxidans. Ein schöner Salat mit Tomaten aus dem Aargau, angemacht mit Rapsöl aus Möriken – mehr Superfood geht fast gar nicht. Ich freue mich jetzt schon auf den nächsten Frühsommer, wenn ich bei Bauer Bryner in Othmarsingen wieder frischen Spargel holen kann. Ein kulinarischer Genuss und eine Entgiftungskur in einem. Eine Stange Spargel hat nur vier Kalorien und enthält kein Fett oder Cholesterin, ist voll mit wertvollen Enzymen, Vitaminen und Mineralstoffen.
Es gibt sogar ein Aargauer Traditionsgericht, das vermutlich zu den gesündesten dieser Art gehört: die Rüeblitorte! Kennen Sie eine Torte, die gesünder ist als die Rüeblitorte? Im Rüebli ist das für unsere Abwehrkräfte und als Radikalfänger bekannte und wichtige Vitamin C enthalten, ebenso Vitamin E. Am bekanntesten sind Rüebli aber für Karotin. Es kommt in Form von Alpha- sowie auch Betakarotin dem sogenannten Provitamin A vor. Provitamin A ist eine Vorstufe von Vitamin A. Vitamin A wird in der Medizin, insbesondere in der Dermatologie auf vielfältige Weise eingesetzt, aber auch als Anti-Aging Wirkstoff ist es heiss begehrt. Ausserdem ist Vitamin A notwendig für die Sehfähigkeit, so kann man mit offenen Augen und scharfem Blick das reichhaltige kulinarische Angebot an Aargauer Superfood entdecken.
Dr. Felix Bertram (42) ist ärztlicher Leiter und Inhaber von Skinmed, dem Zentrum für Dermatologie und plastische Chirurgie in Aarau. Er lebt im Raum Lenzburg.