Der Kanton Aargau verkauft vier Liegenschaften neben dem Spital früher als versprochen. Die Quartierbewohner zeigen sich enttäuscht: «Wir waren ein super Quartier, es ist schade, dass die Struktur so kaputt geht.»
Es war ein kleines Gartenquartier, mit allem was dazugehört, vor allem: Kinder. Ihre Eltern arbeiteten im Kantonsspital (KSA), welches die Häuser vermietete.
Man feierte Feste gemeinsam, pflegte die Nachbarschaft, an Ostern suchten die Kinder die Neste alle zusammen.
Seit dem Sommer 2011 hat sich das Quartier an der Westallee und der Neugutstrasse verändert. Damals kündete das KSA vorschnell 33 Mietern im Rahmen der Liegenschaftsübertragung vom KSA auf den Kanton.
Zwar übernahm der Kanton die Liegenschaften in der Folge, der Mietzins blieb gleich und François Chapuis, Leiter Immobilien Aargau, versprach: «In den nächsten 5 Jahren verändert sich gar nichts.»
Familien zogen aus
Doch die Aussicht, dass der Kanton die Liegenschaften längerfristig verkaufen will, hat dazu geführt, dass die Mieter an der Tellstrasse 7 und der Neugutstrasse 12 dennoch ausgezogen. Die Perspektiven waren ihnen zu unsicher.
Die Mieter haben richtig entschieden: Statt nach fünf Jahren, verkauft der Kanton nun schon nach zwei Jahren vier Parzellen: an der Tellstrasse 7 und 9 (unbebaut) und der Neugutstrasse 10 und 12. Zusammen ergeben die Flächen ein 2500 Quadratmeter grosses Rechteck. Der Meistbietende soll es erhalten.
Überbauung unwahrscheinlich
Martina Müller ist mit ihrer Familie vor einem Jahr an der Westallee 6 eingezogen, von der Vorgeschichte des Quartiers wusste sie nichts.
Sie kann vorläufig bleiben, ihr Mietvertrag ist unbefristet. Doch die ungewisse Zukunft beunruhigt auch sie. Seit Monaten hatte sie versucht, herauszufinden, was der Kanton plant.
Stets hiess es, man wisse noch nichts. Dass die leerstehenden Häuser nicht neu vermietet wurden, kam ihr komisch vor: «Man lässt solche Häuser nicht ohne Plan leer», sagte Martina Müller. Sie befürchtet, es könnte dort eine Überbauung entstehen.
Doch die Häuser liegen in der speziellen Wohnzone der Aarauer Gartenquartiere. Stadtbaumeister Felix Fuchs sagt: «Jedes Baugesuch hier wird gut untersucht», sagt Fuchs.
So dürfen Parzellen nur «massvoll verdichtet» werden, müssen «stark durchgrünt» sein und eine «einheitliche Bebauungsstruktur» aufweisen.
Neben den jetzigen Einzelbauten wird eine durchgehende Überbauung über alle vier Parzellen von der Stadt also kaum bewilligt werden.
An der Neugutstrasse 10 wohnen noch zwei Familien und eine Einzelperson, dass sie bleiben können ist unwahrscheinlich, denn die Liegenschaft ist renovationsbedürftig. Regula Thierstein hat für ihre Familie bereits eine Alternative gefunden.
Dennoch sagt sie, sie sei sehr enttäuscht, dass aus den versprochenen fünf Jahren plötzlich zwei würden. Auch die Nachbarn hätten damit gerechnet, länger bleiben zu können.
«Wir waren ein super Quartier, es ist schade, dass die Struktur so kaputt geht.»
Sie zieht nach Suhr, wie zwei andere Familien, jemand zog nach Rombach. «Niemand bleibt in Aarau, es ist schwierig, in Aarau etwas zu finden», sagt Regula Thierstein.
Heute wohnen von den neun Kindern, die damals in einem Umzug mit selbst gebastelten Schildern für die Bleibe in ihrem Quartier demonstrierten, nur noch drei hier. Tagsüber hört man die Kinder der Spital-Krippe Zwerglihaus an der Westallee, abends ist es still.
Zukunft Westallee 2 offen
Das Haus an der Westallee 2 steht übrigens ebenfalls leer, schon seit zwei Jahren. Dies jedoch, weil die Stadt Aarau dem Kanton untersagte in der Wohnzone eine Verwaltungsabteilung einzuquartieren. Die Verhandlungen sind offenbar noch nicht abgeschlossen.